Holocaust-Gedenktag Peres ruft zur Bestrafung auf
27.01.2010, 17:44 Uhr
Peres spricht im Deutschen Bundestag.
(Foto: AP)
Israels Präsident Peres ruft im Deutschen Bundestag dazu auf, die noch lebenden Nazi-Verbrecher zu bestrafen. Es handele sich dabei nicht um Rache, sondern um Erziehung der Jugend. Auch in Auschwitz gedenken Staats- und Regierungschefs der Holocaust-Opfer und warnen vor neuen Gefahren für den Weltfrieden.
Der israelische Präsident Schimon Peres hat Deutschland und die Welt aufgefordert, die noch lebenden Nazi-Verbrecher vor Gericht zu stellen. "Ich bitte Sie, tun Sie alles, um diesen Verbrechern ihre gerechte Strafe zu erteilen", sagte der 86-jährige Friedensnobelpreisträger in einer Sondersitzung des Bundestages zum Holocaust-Gedenktag. "In unseren Augen handelt es sich nicht um Rache. Es geht um Erziehung", sagte Peres vor allem mit Blick auf die junge Generation. "Die Jugend muss sich erinnern, darf nicht vergessen und muss wissen, was geschehen ist." Es müsse gelten: "Nie wieder eine Rassenlehre. Nie wieder ein Gefühl von Überlegenheit. Nie wieder eine scheinbar gottgegebene Berechtigung zur Hetze, zum Totschlag, zur Erhebung über das Recht."

Der israelische Präsident zusammen mit Berlins Regierendem Wowereit vor dem Brandenburger Tor.
(Foto: dpa)
Überall auf der Welt gebe es immer weniger Überlebende des von den Nazis organisierten Mordes an den Juden, sagte Peres. "Ihre Zahl nimmt täglich ab. Und gleichzeitig leben auf deutschem Boden, in Europa und anderswo auf der Welt noch immer Menschen, die damals dieses schrecklichste Ziel verfolgten: den Völkermord."
Peres ist der erste israelische Präsident, der am Holocaust- Gedenktag im Bundestag sprach. Unter den sechs Millionen Juden, die dem Völkermord der Nationalsozialisten zum Opfer fielen, waren auch seine Großeltern. Vor genau 65 Jahren hatten sowjetische Soldaten die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau befreit. Der 27. Januar wird seit 1996 auch in Deutschland als Holocaust-Gedenktag begangen.
"Blutrünstige Diktatoren"
Peres rief zudem die internationale Gemeinschaft im Atomstreit mit dem Iran zum Handeln auf. Israel lehne "ein fanatisches Regime ab, das die Charta der Vereinten Nationen missachtet", sagte er. Ein Regime, das Atomkraftwerke und Nuklearraketen besitze, mit denen es sein eigenes Land und andere Länder terrorisiere, "ist eine Gefahr für die Welt". Eine Lehre aus dem millionenfachen Mord der Nazis an den Juden müsse sein: "Nie wieder dürfen blutrünstige Diktatoren ignoriert werden, die sich hinter demagogischen Masken verbergen und mörderische Parolen von sich geben."
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte: "Wir Deutschen tragen eine Mitverantwortung für den Staat Israel." Wo sein Existenzrecht und seine Sicherheit bedroht sei, "gibt es für uns Deutsche keine Neutralität". Mit Blick auf den Iran sagte er, ein atomar bewaffneter Staat in Israels Nachbarschaft, "geführt von einem offen antisemitisch organisierten Regime", sei nicht nur für Israel unerträglich. "Die Weltgemeinschaft darf eine solche Bedrohung nicht dulden."
Gedenken auch in Auschwitz
Auch in Auschwitz haben 65 Jahre nach der Befreiung Staats- und Regierungschefs der Holocaust-Opfer gedacht und vor neuen Gefahren für den Weltfrieden gewarnt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu rief bei der Gedenkveranstaltung im ehemaligen Nazi-Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zur Wachsamkeit auf, damit es keinen neuen Holocaust gibt. "Wir vergessen nicht, wir werden uns immer erinnern und werden immer wachsam sein", sagte er. Auf der Welt entstehe ein neues Ungeheuer und drohe erneut mit der Vernichtung der Juden, warnte der Politiker, ohne dabei konkreter zu werden. Das "mörderische Böse" müsse so schnell wie möglich eingedämmt werden, mahnte Israels Regierungschef laut einer Übersetzung des polnischen Fernsehens. Rund 150 Überlebende nahmen an den Feierlichkeiten teil.
Netanjahu erinnerte daran, dass ein Drittel des jüdischen Volkes in Europa ermordet worden war. Die einzig wirksame Methode der Verteidigung seien ein "starker Staat und seine (Israels) starke Armee". Er werde niemals zulassen, dass "böse Hände" wieder Angehörige seines Volkes oder sein Land würgten.
Erinnerung ist notwenidig
Polens Staatsoberhaupt Lech Kaczynski und Ministerpräsident Donald Tusk hoben die Bedeutung des Gedenkens an den Völkermord und seine Opfer hervor. Die Erinnerung sei notwendig, damit sich solche Verbrechen wie in Auschwitz und Birkenau niemals wiederholen, sagte Kaczynski. "Wir müssen die Wahrheit vermitteln", verwies er auf die Bedeutung des Holocaust-Unterrichts an den Schulen. Tusk versicherte, Polen werde alles unternehmen, damit das ehemalige KZ Auschwitz als Gedenkstätte erhalten bleibe. Das sei erforderlich als "Beweis für das Verbrechen", um Argumente gegen Holocaust-Leugner zu haben.
Russlands Präsident Dmitri Medwedew warnte in einer Videobotschaft vor einer Verharmlosung des Faschismus. "In einigen Ländern gelten Nazi-Helfer gar als Helden. Solche Versuche einer Revision der Geschichte sind unzulässig", sagte das russische Staatsoberhaupt, das zur Gedenkfeier eingeladen war, aber wegen Terminschwierigkeiten nicht kommen konnte.
In Auschwitz und dem später im benachbarten Birkenau errichteten Vernichtungslager ermordeten die Nationalsozialisten mehr als 1,1 Millionen Menschen. Die meisten Opfer waren europäische Juden. Auch Polen, sowjetische Kriegsgefangene, Sinti und Roma sowie Vertreter anderer Nationen starben dort qualvoll. Der polnische Ex-Häftling Wladyslaw Bartoszewski warf den Staaten der Anti-Hitler-Koalition vor, trotz polnischer Berichte über den Völkermord nichts dagegen unternommen zu haben.
Am 27. Januar 1945 erreichte die Rote Armee Auschwitz und befreite rund 7000 zumeist schwer kranke Überlebende
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/rts