"Rösler lustlos" Pflege wird zum Koalitions-Zank
04.11.2010, 19:29 Uhr
Mit einem Plakat wird an einer Wiesbadener Kirche drastisch auf den Pflegenotstand aufmerksam gemacht. (Archiv)
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)
Skandale, fehlende Fachkräfte, Dumpinglöhne und permanenter Zeitmangel: Die Pflege in Deutschland hat massenhaft Probleme. Gesundheitsminister Rösler will den Bereich reformieren. Und verheddert sich prompt in den Netzen der CSU. Aus deren Reihen ist zu hören, der Minister sei lustlos in der Sache.
CSU und FDP streiten erneut über die Gesundheitspolitik. Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) warf Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) Tatenlosigkeit bei den Reformen im Pflegebereich vor, was die Liberalen umgehend zurückwiesen. Auch in der Debatte um Maßnahmen gegen den Ärztemangel gibt es Differenzen.
"Ich erlebe nicht, dass da ein Gesundheitsminister ist, der wirklich spürbar Lust auf dieses Thema hat", warf Haderthauer Rösler vor. Das Thema Pflege dürfe "nicht im kleinen Kämmerchen mit Lobbyisten" besprochen, sondern die Diskussion müsse in die Bevölkerung getragen werden. Die CSU-Politikerin hielt Rösler zudem vor, er habe sich mit der Umsetzung des sogenannten Pflege-TÜVs zur Überprüfung der Pflegeeinrichtungen als Vollstrecker der Ideen seiner Amtsvorgängerin Ulla Schmidt von der SPD erwiesen.
Der Pflegeexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Heinz Lanfermann, wies die Kritik aus München zurück. Haderthauer werfe sich "hinter den fahrenden Zug", erklärte er. Die Pflege werde 2011 eines der dominierenden Themen von Rösler sein. Am 7. Dezember wolle der Minister mit Fachleuten und Verbandsvertretern aus dem Pflegebereich beraten. Auch die interministerielle Arbeitsgruppe zur Reform der Pflegeversicherung werde noch in diesem Jahr eingesetzt.
Die bayerische FDP-Generalsekretärin und stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagfraktion, Miriam Gruß, erklärte, die Kritik von Haderthauer greife "vollkommen ins Leere". "Wer Schnellschüsse fordert, der riskiert, dass diese auch nach hinten losgehen können. Das ist nicht im Sinne der Betroffenen."
Profit für Versicherungen
Die Linksfraktion im Bundestag sprach von einem Ablenkungsmanöver. "Die Pläne der Bundesregierung sind durch den Koalitionsvertrag auch der CSU bekannt: Sie wollen die Einführung der Kapitaldeckung als verpflichtende Ergänzung zur Pflegeversicherung", erklärte die pflegepolitische Sprecherin Kathrin Senger-Schäfer. Davon würden allein die Versicherungskonzerne und die Arbeitgeber profitieren.

Gesundheitsminister Rösler: Bringt er diesmal etwas zustande, das Reform genannt werden kann?
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In der Diskussion um den Ärztemangel vor allem in ländlichen Gebieten forderte der Vizechef der Unions-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer (CSU), unterdessen die Abschaffung der Zulassungssperren für niedergelassene Ärzte. "Das System behindert die Flexibilität und Beweglichkeit der Ärzte", sagte Singhammer der "Frankfurter Rundschau". Für Ärzte sei es eine Lebensentscheidung, wo sie sich niederließen. Derzeit werden Regionen für die Niederlassung von Ärzten gesperrt, wenn ein bestimmtes Verhältnis von Medizinern zu Einwohnern überschritten wird. Gleichzeitig fehlen auf dem Land und in den sozialen Brennpunkten der Städte Mediziner.
Singhammer betonte, wenn nichts getan werde, werde sich die ungleiche Verteilung der Ärzte zementieren. Er unterstützte zudem die Forderung der Länder, sie bei der Bedarfsplanung künftig mit einzubeziehen. Rösler hat eine Beteiligung dagegen bisher nicht vorgesehen.
Mehr Zusatzbeiträge erwartet
Unterdessen müssen gesetzlich Krankenversicherte nach Ansicht des Ersatzkassenverbands im kommenden Jahr mit mehr Zusatzbeiträgen rechnen als derzeit. Aufschläge für Ärzte, Zahnärzte und Kliniken wegen der besseren Einkommensentwicklung könnten dazu führen, dass die Kassen 2011 mehr Zusatzbeiträge verlangen müssen als bisher, sagte der Verbandschef Thomas Ballast dem "Tagesspiegel". Derzeit verlangen zwölf Kassen Zusatzbeiträge.
Das Bundesgesundheitsministerium betonte, die Gesundheitsreform sei für das nächste Jahr durchfinanziert. Dies habe der Schätzerkreis mit seiner Prognose eines durchschnittlichen Zusatzbeitrages von null Euro bestätigt. Viele Krankenkassen hätten bereits angekündigt, im nächsten Jahr keine Zusatzbeiträge zu erheben. "Die Versicherten werden sich sehr genau ansehen, welche Krankenkassen sich wie verhalten."
Durch die Beitragserhöhungen von 14,9 auf 15,5 Prozent im kommenden Jahr will die Regierung die Finanzlage der Kassen stabilisieren. Ballast sagte, die Kliniken profitierten von dem Nachschlag mit 400 Millionen, die niedergelassenen Ärzte mit 120 Millionen und die Zahnärzte mit rund 27 Millionen Euro.
Quelle: ntv.de, dpa