Besser und teurer Pflegereform auf dem Weg
17.10.2007, 15:53 UhrBessere Leistungen vor allem für die häusliche Pflege und für Demenzkranke, aber auch höhere Beiträge ab Mitte 2008: Nach monatelanger Vorbereitung hat die Bundesregierung die Pflegereform auf den Weg gebracht. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt nannte den vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf einen großen Schritt in die richtige Richtung: "Das Ergebnis ist sehenswert."
Gegenüber n-tv sagte sie: „Wir bringen mit diesem Gesetzentwurf eine ganze Reihe von Hilfen auf den Weg, um die zu unterstützen, die pflegebedürftig sind, aber auch diejenigen, für die die Pflege der Angehörigen eine Herzensangelegenheit ist. Und wir versuchen, Pflege wohnortnah zu organisieren und dem Wunsch der Menschen zu entsprechen, so lange wie möglich zu Hause bleiben zu können." Opposition und Verbände bemängelten, dass die Finanzierung langfristig ungelöst bleibe.
Die Situation von Millionen Pflegebedürftigen, Angehörigen und auch Pflegekräften werde verbessert, betonte Schmidt. Seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 sind bislang weder die Leistungen noch der Beitrag angehoben worden. Nun sollen die Sätze für die ambulante Pflege bis 2012 schrittweise steigen. Erstmals soll es für die Betreuung von Altersverwirrten bis zu 2.400 Euro im Jahr geben.
Zudem sollen in jedem Stadtviertel so genannte Pflegestützpunkte als zentrale Anlaufstelle entstehen, damit Angehörige beim Organisieren von Hilfe nicht mehr "von Pontius zu Pilatus rennen müssen", wie Schmidt sagte. Pflegeberater sollen sie zielgerichtet unterstützen. Die Qualität in Pflegeheimen soll verbessert und schärfer kontrolliert werden.
Schmidt hätte es "gerne anders gehabt"
Zu dem Konzept gehört auch eine sechsmonatige Freistellung für Arbeitnehmer, die Angehörige selbst betreuen wollen. Sie bekommen in dieser Zeit kein Geld, sind aber weiter sozialversichert. Außerdem sollen zehn Tage Auszeit genommen werden können, wenn plötzlich ein Pflegefall eintritt und die Versorgung organisiert werden muss. Schmidts Absicht, für diese kurze Freistellung Lohnersatz zu zahlen, scheiterte jedoch vorerst am Widerstand der Union. Die SPD-Politikerin sagte bei n-tv: "Dass wir bei den zehn Tagen nicht vereinbaren konnten, dass es wie das Krankengeld bei der Erkrankung der Kinder finanziert wird, das hätte ich gerne anders gehabt." Sie zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass die bezahlte Freistellung doch noch "irgendwann Realität wird". Die SPD will in den Gesetzesberatungen im Bundestag noch darauf dringen.
Um die Verbesserungen zu bezahlen, soll der Pflegebeitrag ab 1. Juli 2008 um 0,25 Punkte von bisher 1,7 auf 1,95 Prozent beziehungsweise für Kinderlose von 1,95 auf 2,2 Prozent erhöht werden. Im Gegenzug wird der Betragssatz der Arbeitslosenversicherung um 0,3 Punkte gesenkt. Aus heutiger Sicht reiche die Beitragserhöhung aus, um die Leistungen der Pflegeversicherung bis Ende 2014/Anfang 2015 zu finanzieren, erklärte Schmidt.
Ursprünglich hatte die Koalition vorgehabt, die Finanzierung der Pflegeversicherung umzubauen und zukunftssicher zu machen. Auf radikale Veränderungen konnten sich Union und SPD aber nicht einigen, so dass die ganz große Reform noch aussteht.
B ütikofer: "Flickschusterei"
Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer kritisierte die Reform daher als "Flickschusterei" und sagte voraus, sie werde bald selbst zum Pflegefall werden. Der Pflegeexperte der Linken, Ilja Seifert, warf der Koalition Kleinmut vor und kritisierte: "Gegeizt wird an allen Ecken und Enden." Sein FDP-Kollege Heinz Lanfermann sah die Koalition gescheitert und warnte ebenso wie die privaten Versicherer vor wuchernder Bürokratie. Die Finanzprobleme der Pflegeversicherung blieben ungelöst, rügte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Die Freistellungsansprüche müssten eng begrenzt werden.
Quelle: ntv.de