"Jede Zahlung" Pharmaindustrie will Transparenz
18.02.2013, 09:14 Uhr
"Mehr als überfällig" nennt der Krankenkassen-Verband die Umsetzung des Vorhabens.
(Foto: dapd)
Korruption oder nicht? Diese Frage stellt sich bei Zahlungen der Pharmaindustrie an Ärzte und Krankenhäuser - besonders, da sie im Verborgenen erfolgen. Verboten sind die Zuwendungen nicht. Ein Kodex soll das nun ändern und Transparenz herstellen. "Es ist mehr als überfällig", heißt es vom Krankenkassenverband.
Der Einfluss der Pharmaindustrie auf Ärzte steht seit Langem in der Kritik, nun wollen die forschenden Arzneimittelhersteller ihre Zahlungen an Mediziner offenlegen. Ein freiwilliger Kodex soll Basis für die Offenlegung von Zuwendungen werden, teilte der Pharmaverband VFA mit. Krankenkassen und Ärzte begrüßten den Schritt, der aus ihrer Sicht aber zu spät kommt.
Bis zum Sommer werde es einen entsprechenden Transparenz-Kodex des europäischen Pharma-Dachverbands EFPIA geben. "Derzeit beraten die Pharmaverbände über die nationalen Grenzen hinweg", sagte eine Sprecherin. Bis Jahresende komme die Umsetzung für Deutschland. "Ab Anfang 2015 sollen alle Daten erfasst und ab 2016 veröffentlicht werden." Schneller gehe es nicht, auch weil die Unternehmen Zeit bräuchten für Umstellung oder Aufbau von Datensystemen. "Das zeigt, wie ernst es den forschenden Pharma-Unternehmen mit dem Thema Transparenz ist".
Honorare, Vergütungen, Einladungen
Der Sprecher des Krankenkassenverbands, Florian Lanz, sagte: "Es ist mehr als überfällig, dass die Pharmaindustrie endlich Klarheit schafft, warum und wie viel Geld sie extra an die einzelnen Ärzte zahlt." Patienten müssten sich informieren können, ob sein Arzt für die Verschreibung zusätzliches Geld von einem Pharmaunternehmen bekommen habe. "Jede Zahlung an Ärzte oder Krankenhäuser sollte veröffentlicht werden", so Lanz.
Der Geschäftsführer der Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie, Holger Diener, kündigte umfassende Veröffentlichungen an: "Die Spanne reicht von Honoraren für wissenschaftliche Vorträge über Vergütungen für Beratungsleistungen der Ärzte bis zu Einladungen zu wissenschaftlichen Kongressen." Von Missständen zu sprechen, wäre unangemessen, sagte Diener. Bereits existierende strenge Vorgaben etwa zu Geschenken an Ärzte würden weiterentwickelt. Ein enormes Datenvolumen zeichne sich ab, das zu 100 Prozent korrekt sein müsse: "Wir hoffen auf breite Kooperation mit der Ärzteschaft."
Korruption nicht strafbar
In Fahrt gekommen war die Debatte durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Korruption niedergelassener Ärzte ist demnach nach geltendem Recht nicht strafbar - etwa die Annahme von Zuwendungen für die Verordnung bestimmter Arzneien. Gesundheitsminister Daniel Bahr hatte eine Gesetzesänderung angekündigt, so dass im Verdachtsfall Staatsanwälte gegen Ärzte ermitteln können. Derzeit laufen nach Ministeriumsangaben Auswertungen von Regelungen in den Ländern und Ärztekammern.
Der Chef der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig, kritisierte: "Europa hat hinsichtlich der Transparenz von finanziellen Zuwendungen an Ärzte und Forschungseinrichtungen spät nachgezogen." In den USA werde ein Register mit allen Zahlungen in diesem Jahr öffentlich. Gefährdet sei das Vertrauen in den Arztberuf. Der geplante Kodex der Industrie könne nur ein erster Schritt sein. Es fehle an Regeln, was erlaubt sei - und an der Umsetzung.
Quelle: ntv.de, dpa