"Ein Atomkrieg könnte jetzt ausbrechen" Pjöngjang kappt das Rote Telefon
08.03.2013, 16:21 Uhr
Wie bei Dreharbeiten jubelt eine Menge ihrem Machthaber zu.
(Foto: dpa)
Sowohl Nord- als auch Südkorea planen für kommende Woche große Militärmanöver. Dabei ist nicht auszuschließen, dass es zu einer ernsthaften Konfrontation oder gar einem Krieg zwischen beiden Ländern kommt. Vorsorglich kündigt Nordkorea den Nichtangriffspakt mit dem Süden und kappt das Notfalltelefon. Pjöngjang spricht bereits von einem Atomkrieg, die Welt ist gewarnt.
Nordkorea ist offenbar bereit, einen Krieg mit dem südkoreanischen Nachbarn zu führen. Auch der Einsatz von Atomwaffen ist dabei nicht ausgeschlossen. Sein Land sei bereit für einen "umfassenden Krieg", sagte Machthaber Kim Jong Un, der demonstrativ die Grenze zu Südkorea besuchte und sich dabei vom Staatsfernsehen filmen ließ. Besuchsziel waren zwei Inseln nahe der umstrittenen Seegrenze. An die versammelten Soldaten einer dort stationierten Einheit gerichtet sagte Kim, als Reaktion auf die geringste Provokation werde er einen "großangelegten Vormarsch an der gesamten Grenze zum Süden" anordnen.
Per Fernglas blickte Kim auf die Insel Yeonpyeong hinüber und diskutierte mit Offizieren offenbar die Auswahl möglicher Ziele. Yeonpyeong war im November 2010 von Nordkorea beschossen worden, damals wurden vier Südkoreaner getötet, darunter zwei Zivilisten.
Notfalltelefon gekappt
Die Lage hatte sich zuletzt wieder angespannt, nachdem Pjöngjang als Reaktion auf die Verschärfung von UN-Sanktionen den Nichtangriffspakt mit dem Süden aufkündigte. Auch die Notfalltelefonleitung zwischen beiden Staaten zur Verhinderung von Krisen wurde gekappt, meldete das Staatsfernsehen. Das Rote Telefon als ständige Verbindung zwischen beiden Staaten war im Jahr 1971 eingerichtet worden. Vor wenigen Tagen erst hatte Nordkorea den USA mit einem atomaren Erstschlag gedroht.
Nordkoreas staatliches "Komitee zur friedlichen Wiedervereinigung Koreas" verurteilte die Verschärfung der UN-Sanktionen als "Beweis dafür, dass Washington und seine Marionetten in Seoul wild entschlossen zur Konfrontation" seien. Die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea hätten die "Gefahrenlinie" derart weit überschritten, dass sie nicht zu kitten seien. Auf der koreanischen Halbinsel sei die Lage "extrem gefährlich", ein Atomkrieg "könnte jetzt ausbrechen".
Das Komitee warnte, das nordkoreanische Militär werde auf jegliche Grenzverletzung "gnadenlos" reagieren. Die südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye bezeichnete die Lage als "sehr ernst". Auch sie zeigte sich "entschlossen", auf jegliche Provokation des Nordens zu reagieren. Sowohl Süd- als auch Nordkorea planen für kommende Woche große Militärmanöver.
Hysterische Szenen an der Grenze

Sie folgen ihrem Führer. Selbst eiskalte Fluten können die Menschen dabei nicht aufhalten.
(Foto: dpa)
Soldaten und deren Familien hatten dem Machthaber bei seinem Besuchen an der Grenze zugejubelt. Sie schrien vor Freude und reckten die Arme in die Höhe, wie im Staatsfernsehen zu sehen war. Einige hielten die Hände vor das Gesicht, um ihre Tränen zu verbergen. Die Szenen wiederholten sich, als Kim die Insel Mu per Boot wieder verließ. Dutzende Menschen rannten ins eiskalte Wasser, um den Machthaber zu verabschieden. Um die Kim-Dynastie wird seit jeher ein großer Personenkult veranstaltet; Kritikern zufolge sind die Darbietungen organisiert.
China spricht von Undankbarkeit Nordkoreas
Derweil findet selbst Chinas Geduld mit dem südlichen Nachbar ein Ende. Auch wenn niemand einen völligen Bruch mit Nordkorea erwartet, verschärft Peking jetzt den Druck auf den störrischen Nachbarn. Schon Pekings Zustimmung zu den Sanktionen des Weltsicherheitsrates gegen Pjöngjang ist ein klares Zeichen der Verärgerung über den jungen Machthaber dort. Chinas Führer hätten mit einer Neubewertung ihrer Nordkorea-Politik begonnen, wissen chinesische Experten zu berichten. Bislang hat Peking meist vermittelnd eingegriffen und seinen traditionellen Freund noch in Schutz genommen. Indes wird jetzt der Ruf nach Strafmaßnahmen auch in China lauter.
Peking beklagt offiziell die "Undankbarkeit der nordkoreanischen Seite" a ngesichts seiner Vermittlungsbemühungen. Als Gastgeber hatte China mehrere Runden der sogenannten Sechs-Parteien-Gespräche mit Nordkorea, den USA, Südkorea, Japan und Russland organisiert. Für ein Ende des Atomwaffenprogramms winkten stets diplomatische Eingeständnisse und Wirtschaftshilfen für das hungernde Land. Nordkorea hatte sich einrichten können zwischen den Machtblöcken USA, Japan und Südkorea auf der einen sowie China und Russland auf der anderen Seite. Stattdessen schlug das Regime das Angebot aus, ließ die Verhandlungen 2009 platzen und setzt allein auf Konfrontation.
China benötigt Nordkorea als Puffer
An Chinas Interesse für Nordkorea steckte bislang vor allem die Angst vor einem Zusammenbruch des 23 Millionen Einwohner zählenden Landes mit großen Flüchtlingsströmen. Westliche Experten sprechen auch von chinesischer Furcht, dass Südkorea den Norden mit Hilfe der USA schlucken könnte und amerikanische Truppen eines Tages direkt an der nordostchinesischen Grenze stehen könnten. So steckt Peking in einem Dilemma, denn ein atomar bewaffnetes Nordkorea mit Langstreckenraketen will es eigentlich auch nicht sehen.
Vor allem der Westen - zunehmen aber auch China Russland - sehen in dem jungen Machthaber Kim Jong Un nur eine Marionette. In Wirklichkeit würden vor allem sein Onkel Jang Song Thaek oder die Generäle der Armee die Fäden ziehen.
Der junge Mann gilt als nicht sonderlich gebildet. Er soll kaum über Führungsqualitäten verfügen und in den Medien eine einstudierte Herrschaftsgestik zeigen. Der engste Führungszirkel um den Spross der Kim-Dynastie gilt als enges Netzwerk von Vertrauten, die ein von der Wirklichkeit Nordkoreas entrückt Leben führen. Auch aus diesem Grund zielen die neuen Sanktionen auf Mitglieder der Führung und die Lieferung von Luxusgütern. China kommt bei der Durchsetzung eine Schlüsselrolle zu, da viele Waren per Bahn und Schiff über den Nachbarn geliefert werden und nordkoreanische Flugzeuge auf Pekings Flughafen zwischenlanden.
Politiker sind besorgt
China rief zu "Ruhe und Zurückhaltung" auf. Alle Parteien sollten nichts unternehmen, was die Spannungen weiter eskalieren lassen könnte. Die gegenwärtige Lage auf der koreanischen Halbinsel sei "schwierig und heikel".
Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte in Berlin, "die Kriegsrhetorik in Nordkorea" müsse "ein Ende haben". Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, zeigte sich ebenfalls "sehr besorgt". Er betonte, die Weltgemeinschaft bleibe aber "trotz der bewussten Eskalation" gesprächsbereit.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton nannte es in Brüssel "bedauerlich", dass Nordkorea "weitere provokative Handlungen angedroht" habe. Pjöngjang solle besser an "das Wohlergehen der Bevölkerung" denken.
Quelle: ntv.de, ppo/AFP/rts/dpa