Politik

Modellprojekt auf Prüfstand Plädoyer für Heroin-Abgabe

Im Streit um die staatliche Heroinabgabe an Schwerstabhängige wollen sich die sieben beteiligten Großstädte weiter für das Projekt einsetzen. Bei einem Treffen am Mittwoch in Frankfurt appellierten sie mit einer Resolution an die Bundestagsfraktionen, der regulären Vergabe von Heroin als Medikament zuzustimmen. Unterstützung erhielten sie dabei vom Deutschen Städtetag und von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD). Das Projekt läuft in Hamburg, Hannover, Köln, Bonn, Frankfurt, Karlsruhe und München. Es hatte 2002 begonnen und soll nach jetzigem Stand am 30. Juni auslaufen. Innerhalb der großen Koalition hatte die Union im Herbst die Zulassung der Droge als Medikament blockiert.

Die Heroinstudie in den sieben Städte habe klare wissenschaftliche Ergebnisse gebracht, die bei einer eng gefassten Gruppe eindeutig für den Einsatz des künstlichen Heroins (Diamorphin) als Medikament sprächen, sagte die Frankfurter Gesundheitsdezernentin Manuela Rottmann (Grüne). Ein Ende der Heroinvergabe habe voraussichtlich dramatische Folgen für die Süchtigen. Für die Städte ergebe es keinen Sinn, "eine erfolgreiche Therapieform ohne Grund und ohne Not abzubrechen". Bundesweit erhalten noch rund 300 Süchtige Diamorphin vom Staat.

Abhängige in Lebensgefahr

Ein Ende der staatlichen Heroinabgabe hätte nach Ansicht des Leiters des bundesweiten Modellprojekts, Christian Haasen, schwerwiegende Konsequenzen. "Die Süchtigen würden dann in ihre alten Muster zurückfallen, was massive gesundheitliche Verschlechterungen und im schlimmsten Fall Lebensgefahr bedeuten kann", sagte der Mediziner vom Hamburger Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung in einem dpa-Gespräch. Das Projekt mache sich langfristig auch für Krankenkassen und Kommunen bezahlt. "Durch die kostenlose und saubere Heroinabgabe werden Krankheiten wie HIV oder Hepatitis verhindert und die Beschaffungskriminalität verringert".

Dank des Projekts könnten die Probanden ihr Leben neu sortieren, statt den ganzen Tag auf die Drogen-Beschaffung auszurichten. So seien zu Beginn der Behandlung 90 Prozent der Teilnehmer arbeitslos gewesen. Inzwischen habe jeder Zweite eine feste Stelle.

Bundesregierung hält ihr Wort nicht

Der Karlsruher Sozialdezernent Harald Denecken (SPD) hielt der Bundesregierung Wortbruch vor, wenn nicht doch noch die Medikamentenzulassung kommt. Die Städte hätten erhebliche Investitionen geleistet - im Karlsruher Fall 1,8 Millionen Euro ohne jede Unterstützung des Landes. Dabei habe man auf das Versprechen vertraut, dass die erprobte Therapieform im Erfolgsfall auf ganz Deutschland ausgeweitet werden könne. "Jetzt wird das Versprechen des Bundes nicht eingehalten."

Die Drogenbeauftragte Bätzing schätzte die Zahl der in Frage kommenden Süchtigen auf maximal 1800 Menschen bundesweit. Heroin sollte nur an Schwerstabhängige gegeben werden, die mit der Ersatzdroge Methadon gescheitert seien oder bislang überhaupt nicht zu erreichen waren. Rottmann sprach von "einer Art Intensivmedizin zu Beginn der Behandlung, um die Patienten dann aus der Sucht herausführen zu können".

Die Unions-Gesundheitspolitikerin Maria Eichhorn (CSU) hatte die deutlich höheren Kosten des Heroins gegenüber dem Methadon ins Feld geführt. Diese Rechnungen würden nach Bätzings Meinung relativiert, wenn man die gesamten gesellschaftlichen Kosten betrachte. Die Heroin-Klienten in der Studie seien zum Beispiel deutlich weniger kriminell gewesen als die Methadon-Kontrollgruppe.

Bätzing kündigte den weiteren Einsatz der SPD-Bundestagsfraktion für die Heroinvergabe an. "Wir werden uns nicht einfach geschlagen geben." Es gehe darum, in die Unionsfraktion mit dem Ziel eines Meinungswechsels hineinzuwirken und auf die Unterstützung der Kommunen und der Länder zu bauen.

Hamburg hat eine entsprechende Bundesratsinitiative angekündigt. Die Stadt Frankfurt will zur Not auf eine vorläufige Verlängerung der bislang gültigen Ausnahmegenehmigung klagen.

Quelle: ntv.de

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