Politik

Neue Afghanistan-Strategie Planungen seit dem Sommer

Neben der Truppenstärke gilt die schlechte Ausrüstung als einer der Kritikpunkte beim Afghanistan-Einsatz.

Neben der Truppenstärke gilt die schlechte Ausrüstung als einer der Kritikpunkte beim Afghanistan-Einsatz.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mit welchem Auftrag sind die Bundeswehrsoldaten eigentlich in Afghanistan und ist es sieben Jahre nach Beginn der Mission nicht an der Zeit, die Strategie am Hindukusch zu überarbeiten? Fragen, auf die nicht erst seit dem umstrittenen Luftangriff von Kundus Antworten gesucht werden.

Im Zuge der Diskussion um ein härteres Vorgehen der Bundeswehr in Afghanistan hat es im Bundesverteidigungsministerium offenbar bereits Mitte des Jahres konkrete Planungen gegeben. Nach ARD-Informationen sollte der Führungsstab der Streitkräfte Vorschläge für eine Strategieanpassung erarbeiten. Die Planer schlugen demnach vor, die Mandatsobergrenze für den ISAF-Einsatz der Bundeswehr auf bis zu 6700 Soldaten zu erhöhen. Außerdem plante der Führungsstab, die Panzerhaubitze 2000 an den Hindukusch zu entsenden, wie das ARD-Hauptstadtstudio berichtete.

Die Überlegungen im Ministerium beinhalteten demnach auch die Ausstattung der deutschen Soldaten in Afghanistan mit dem schweren Kampfpanzer Leopard II. Aus logistischen Gründen sei von diesem Vorschlag aber wieder Abstand genommen worden. Die Vorschläge des Führungsstabes hätten allerdings keinen Eingang in die Gestaltung des Afghanistan-Mandates gefunden. Lediglich die Planungen zur Verdopplung der Anzahl von Marder-Schützenpanzern von derzeit fünf auf zehn sollen Anfang kommenden Jahres in die Tat umgesetzt werden.

Guttenberg lehnt einen Rücktritt ab.

Guttenberg lehnt einen Rücktritt ab.

(Foto: AP)

Das habe Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg aber bereits nach seinem Amtsantritt angekündigt. Der Verteidigungsausschuss des Bundestags wandelt sich am Donnerstag in einen Untersuchungsausschuss um, der die Umstände des umstrittenen Luftangriffs vom September bei Kundus aufklären soll. Bei dem von einem deutschen Offizier angeforderten Einsatz waren auch Zivilisten zu Tode gekommen.

Weitreichende Fragen

Merkel soll nach dem Willen der Opposition die "Karten auf den Tisch legen".

Merkel soll nach dem Willen der Opposition die "Karten auf den Tisch legen".

(Foto: picture alliance / dpa)

In dem Untersuchungsausschuss will die Opposition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wissen, ob es eine geänderte Strategie für die Bundeswehr in Afghanistan gab, ohne dass der Bundestag darüber Bescheid wusste. Zu Guttenberg soll dem Grünen-Verteidigungsexperten Omid Nouripour zufolge als erster Zeuge noch im Januar vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. "Relativ bald danach" solle auch Merkel geladen werden. Es spreche einiges dafür, dass dieser Termin noch vor der Afghanistan-Konferenz am 28. Januar in London liege, sagte Nouripour.

Nach Angaben des verteidigungspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, liegen aus der Opposition bereits mehr als hundert Anträge für den Ausschuss vor. Arnold plädierte dafür, dass der Ausschuss generell öffentlich tagen sollte. Gut 50 Anträge beziehen sich demnach darauf, welche Zeugen geladen werden sollen. Neben der Vernehmung von Soldaten beantragt die SPD auch die Zeugenvernehmung des früheren Verteidigungsministers Franz Josef Jung (CDU), des bereits entlassenen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und von Oberst Georg Klein, der den Luftangriff vom 4. September angeordnet hatte.

"Regionaler Kieg"

In Kundus starben auch zahlreiche Zivilisten.

In Kundus starben auch zahlreiche Zivilisten.

(Foto: AP)

Auch der Bundeswehrverband hat den Bundestag aufgefordert, schnellstmöglich Klarheit über den Einsatz in Afghanistan zu schaffen. In Kundus gebe es einen "regionalen Krieg und deswegen muss das auch so bezeichnet werden", sagte der Vorsitzende des Verbandes, Ulrich Kirsch, bei n-tv. Die Soldaten erwarteten, "dass der Deutsche Bundestag das zur Kenntnis nimmt und dementsprechend auch feststellt, dass hier nun das Völkerstrafrecht gilt und nicht nationales Recht."

Zugleich forderte er eine schnelle Prüfung im Untersuchungsausschuss des Bundestags. Da es keinen Stillstand in Afghanistan gebe, sei es "unheimlich dringend", dass der Ausschuss jetzt seine Arbeit aufnehme. "Das Parlament muss sich jetzt damit befassen und nicht irgendwann. Und die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland ist hier ganz besonders gefordert, auch ein deutliches Signal nochmal in Richtung der Soldatinnen und Soldaten zu senden."

Guttenberg: Kein Strategiewechsel

Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg weigert sich jedoch, von einem Strategiewechsel zu sprechen. "Ich würde es notwendige Anpassung an Realitäten nennen. Es gibt die Möglichkeit, aktiv offensiv gegen Taliban beispielsweise vorzugehen; in engen klaren Kriterien, die auch die Verhältnismäßigkeit mit beinhalten müssen." Die Bundeswehr habe entgegen "manchem politisch kommuniziertem Bild ­- insbesondere aus Teilen der Opposition dieser Tage ­- bereits vor dem 4. September mehr Möglichkeiten des Vorgehens gehabt, als es manche darstellen."

Streit um Mandat

Ein Bundeswehrsoldat bei einer Patrouille in einem Außenbezirk von Kundus.

Ein Bundeswehrsoldat bei einer Patrouille in einem Außenbezirk von Kundus.

(Foto: REUTERS)

Nouripour sieht gezielte Tötungen jedoch nicht vom Bundestags-Mandat für den Afghanistan-Einsatz gedeckt. Die Abgeordneten hätten die Bundeswehr mit einem robusten Mandat ausgestattet, damit sie "sich selbst und natürlich die Zivilbevölkerung" schützen könne. "Das ist ja genau das, was schiefgegangen ist an diesem Abend am 4. September. Gezielte Tötungen sind im Völkerrecht milde gesagt umstritten, aus meiner Sicht sogar eindeutig illegal."

Dagegen hat der frühere Bundeswehr-Kommandeur in Kundus, Oberst Georg Klein, der den Angriff anforderte, aus Sicht des Augsburger Völkerrechtlers Hans-Peter Folz legitim gehandelt. "Es ist in einem nicht zwischenstaatlichen Konflikt absolut zulässig, nicht nur Selbstverteidigung zu üben, sondern auch den Gegner aktiv zu bekämpfen", sagte Folz der "Stuttgarter Zeitung". "Der Befehl zum Bombenangriff war für sich genommen nicht rechtswidrig." Der Beschuss der Tanklastzüge sei vom Mandat des Bundestages gedeckt.

Quelle: ntv.de, sba/AFP/rts/dpa

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