Kraftausdrücke gegen Kritiker Pofalla muss sich erklären
03.10.2011, 15:55 UhrKanzleramtsminister Pofalla gilt als einer der loyalsten Mitarbeiter von Bundeskanzlerin Merkel. Um die Kanzlermehrheit für den erweiterten Rettungsschirm EFSF zu organisieren, setzte er auf harte Bandagen und erreichte sein Ziel. Nun muss er sich allerdings fragen lassen, ob er seinem Job noch gewachsen ist.
Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) hat sich mit in die Schlagzeilen gebracht. Wenige Tage vor der Bundestags-Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm EFSF hat Pofalla seinen Fraktionskollegen Wolfgang Bosbach offenbar wüst beschimpft. Dabei seien Äußerungen gefallen wie "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen", berichtete die "Bild am Sonntag".

Pofalla hat die Mehrheitsbeschaffung für den EFSF am Ende wohl etwas zu persönlich betrieben ...
(Foto: dapd)
Bosbach bestätigte indirekt den Wutausbruch, der sich am Rande der Sitzung der nordrhein-westfälischen CDU-Landesgruppe am Montagabend voriger Woche zugetragen haben soll. "Ich versuche, den Vorgang zu vergessen", sagte der CDU-Innenexperte dem Blatt. Pofalla und er hätten demnächst ein Vier-Augen-Gespräch im Kanzleramt
"Für mich ist die Sache erledigt", sagte Bosbach dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Für ihn stelle sich allerdings nun die Frage, "wie gehen wir in den nächsten Monaten miteinander um", sagte Bosbach dem "Express". Er müsse zudem für sich entscheiden, ob er 2013 noch mal für den Bundestag kandidieren wolle. "Ich will ja auch nicht immer wieder in die Situation 'Einer gegen alle' geraten." Das Blatt berichtete, erst in der Nacht vor der Abstimmung seien mit Patrick Sensburg und Marco Wanderwitz zwei CDU-Abgeordnete aus dem Lager der Nein-Sager zu den Befürwortern gewechselt.
Dem Job nicht gewachsen?
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf Pofalla vor, dem Amt nicht gewachsen zu sein. "Die beschriebenen Pöbeleien und Beleidigungen verbieten sich in einem solchen Amt", sagte Nahles der "Welt". Pofalla sei "offenbar nicht in der Lage, seinen Job angemessen auszuüben".
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, bezeichnete die Pofalla zugeschriebenen Äußerungen in der "Leipziger Volkszeitung" als "unangemessen". Gleichzeitig nannte es Müller völlig inakzeptabel, dass Abweichler aus der Fraktion "mit eigener Pressearbeit den Eindruck verstärkt haben, nur die Nein-Sager seien die eigentlich aufrechten Abgeordneten".
Bosbach hatte frühzeitig sein Nein gegen die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms angekündigt. In der schwarz-gelben Koalition war massiv um Unterstützung geworben worden, weil Kanzlerin Angela Merkel (CDU) um ihre Kanzlermehrheit fürchten musste. Am Ende brachte sie diese bei der Abstimmung am Donnerstag knapp mit einem Vorsprung von vier Stimmen zustande, musste aber 15 Abweichler von CDU, CSU und FDP hinnehmen.
Respekt für Andersdenkende
Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte, Bosbach habe "Anspruch auf Respekt". Er selbst habe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Führung der Unions-Fraktion Druck auf Abgeordnete ausgeübt habe. Mehrere Abgeordnete hätten es ihm gegenüber ausgeschlossen, sagte der CDU-Politiker der WAZ-Mediengruppe. , weil er in der Bundestagsdebatte abweichend vom Parlamentsprozedere auch zwei Kritikern des Euro-Kurses aus CDU und FDP jeweils fünf Minuten Redezeit eingeräumt hatte.
CSU-Parteichef Horst Seehofer äußerte Verständnis für Kollegen, die "mit guten Gründen eine abweichende Position einnehmen". Bosbach habe sich immer um eine sehr fundierte Argumentation bemüht. "Er ist bestimmt kein Querulant", sagte der bayerische Ministerpräsident der "Welt am Sonntag". Die Entscheidung Lammerts, auch Kritiker sprechen zu lassen, nannte Seehofer richtig.
Quelle: ntv.de, dpa