Länder erheben neue Forderungen Poker um Fiskalpakt hält an
17.06.2012, 15:23 Uhr
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Die Länder wollen sich ihr Ja zum Fiskalpakt im Bundesrat teuer erkaufen lassen. Im Gegenzug für eine Zustimmung fordert nun Baden-Württemberg einen höheren Anteil an den Steuereinnahmen. Und Bayerns Ministerpräsident Seehofer will ein großes Kuchenstück vom Haushalt des Bundesverkehrsministers abhaben.

Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid
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Im Streit um den Fiskalpakt verlangt Baden-Württemberg vom Bund einen höheren Anteil an der Mehrwertsteuer. "Es ist völlig gerechtfertigt, die Steuerverteilung bei der Umsatzsteuer zugunsten der Länder zu verbessern", sagte der sozialdemokratische Landesfinanzminister Nils Schmid "Sonntag Aktuell". Mindestens ein Prozentpunkt solle an die Länder abgegeben werden. Dies entspricht rund 1,7 Milliarden Euro pro Jahr. Bundeskanzlerin Angela Merkel pochte am Wochenende erneut auf die Umsetzung des Fiskalpaktes für mehr Haushaltsdisziplin in Europa. In Deutschland ist dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat nötig.
Schmid argumentierte, die Länder müssten wegen des Pakts nicht nur die Neuverschuldung bis 2020 auf Null zurückfahren. Sie müssten darüber hinaus auch die Kinderbetreuung sowie die schulische und universitäre Bildung ausbauen. Damit konkretisierte Schmid Forderungen der Bundesländer nach Hilfen des Bundes bei der Fiskalpakt-Umsetzung. Bislang pochen die Bundesländer auf Hilfen bei den Eingliederungshilfen für Behinderte.
SPD legt Forderungen fest
Unterdessen knüpfte auch CSU-Chef Horst Seehofer klare Bedingungen an eine Zustimmung Bayerns zum Fiskalpakt. Der Freistaat werde dem Fiskalpakt nur zustimmen, wenn der Verkehrshaushalt des Bundes mit 1,5 Milliarden Euro derart ausgestaltet werde, dass die bayerischen Verkehrsprojekte in den nächsten zehn Jahren umgesetzt werden können, sagte er auf einem Regional-Parteitag in Schrobenhausen.
"Spiegel" berichtete am Wochenende, alle 16 Länder wollten, dass der Bund komplett die Kosten von zwölf Milliarden Euro pro Jahr schultert. Demnach ist ein mehrstufiges Verfahren geplant, bei dem im kommenden Jahr zunächst vier Milliarden Euro der Eingliederungskosten vom Bund übernommen werden sollen.
Die SPD legte sich bei einem Parteikonvent auf sechs Punkte fest, an die die Zustimmung zum Fiskalpakt geknüpft werden soll. Neben der Finanzmarkttransaktionssteuer und einem Konjunkturprogramm sollen demnach Spekulationen an Finanzmärkten eingedämmt und Regeln für geordnete Bankeninsolvenzen festgelegt werden. Außerdem soll Merkel verbindliche Wege zum Abbau der Altschulden, etwa durch den von den Grünen geforderten Altschuldentilgungsfonds, zusagen. Grundsätzlich müsse der Finanzmarkt stärker reguliert werden.
Merkel will rasch zu Potte kommen
"Wir dürfen uns nicht beim Fiskalpakt verbeißen", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel auf dem Parteikonvent in Berlin. In der nichtöffentlichen Sitzung gab es dem Vernehmen nach Änderungsanträge, aber keinen großen Dissens. Die SPD fordert, dass eine gemeinsame europäische Haftung für einen Teil der Staatsschulden nicht ausgeschlossen werden darf.
Merkel bekräftigte bei einem CDU-Landesparteitag die Bedeutung des Fiskalpaktes für die Euro-Zone. Nur dadurch werde es mehr Verbindlichkeiten beim Sparen geben. "Versprochen. Gebrochen. Nichts passiert. So geht das in Europa unter keinen Umständen weiter", sagte die CDU-Chefin. Den Gemeinschaftsanleihen Eurobonds erteilte sie erneut eine Absage. Nach einem "Spiegel"-Bericht wird jedoch in der Europäischen Union an einer Variante gearbeitet. Demnach sollen diese "Euro-Bills" nur eine kurze Laufzeit haben und in der Summe begrenzt sein.
FDP-Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler wies in der "Bild am Sonntag" die zusätzlichen Forderungen zurück und warnte die Oppositionsparteien vor leichtfertiger Taktiererei. "Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie leider den Ernst der Lage nicht begriffen haben." Mit seiner Partei werde es keine Vergemeinschaftung von Schulden in Form eines Schuldentilgungsfonds geben. "Die deutschen Steuerzahler und Kleinsparer dürfen nicht für Risiken in Haftung genommen werden, die andernorts verursacht werden."
Merkel will in einer Reihe von Gesprächen die Widerstände gegen den Fiskalpakt ausräumen. Am 21. Juni wird sie mit den Partei- und Fraktionschefs der im Bundestag vertretenen Parteien zusammentreffen. Am 23. Juni soll eine zweite Gesprächsrunde folgen. Nächsten Sonntag ist dann eine Runde mit den Länderchefs dran.
Quelle: ntv.de, rts/dpa