Der Blog "L.'s Journey" ist abgeschaltet. Bis Montag hatte Lindsay Mills dort Fotos und Poledance-Videos gepostet - und über ihr Leben mit Edward Snowden geschrieben, dem Mann, der den geheimsten aller US-Geheimdienste als Datenkrake entlarvt hat. Snowden ist in Hongkong abgetaucht.

Medien gegenüber hat die Freundin des Informanten, der den Skandal um die ungezügelte Sammelwut des US-Geheimdienstes NSA enthüllt hat, bislang geschwiegen. Auf ihrem eigenen Blog jedoch veröffentlichte Lindsay Mills Einzelheiten über ihr Leben mit Edward Snowden. Bis Montag, danach ging der Blog vom Netz.

Nach Angaben des britischen "Guardian" schrieb die 28-jährige Performance-Künstlerin in ihrem letzten Eintrag: "Ich weiß nicht, was von nun an geschehen wird. Ich weiß nicht, wie ich mich noch normal fühlen soll." Und: "Meine Welt hat sich zur gleichen Zeit geöffnet und geschlossen. Allein auf hoher See ohne Kompass ... im Moment kann ich mich nur allein fühlen."

Der "Guardian" schreibt, die Echtheit des Blogs, der am Dienstag vom Netz gegangen sei, habe nicht verifiziert werden können. Zusammen mit der "Washington Post" hatte die britische Zeitung die Überwachungsaffäre vor einer Woche aufgedeckt. Dabei geht es um die Existenz eines Spähprogramms namens PRISM, mit dem die NSA direkt auf Server großer Internetkonzerne wie Google, Facebook, Yahoo, Microsoft und Apple zugreifen kann.

"Abenteuer einer pole-tanzenden Superheldin"

In Deutschland prüft das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags derzeit, wie stark Deutschland von der Internet-Ausspähung betroffen ist. In den USA erlaubte ein geheimer Gerichtsbeschluss der NSA, im Antiterrorkampf wahllos Daten über die Handyverbindungen von Millionen Menschen in den USA zu sammeln.

Mills' Blogeintrag über ihre Einsamkeit entstand offenbar nur Stunden, nachdem der "Guardian" ein Video-Interview mit Snowden veröffentlicht hatte. Erst durch dieses Interview ist bekannt, dass der 29-Jährige die Quelle für die PRISM-Enthüllung ist. In ihrem Blog schrieb seine Freundin: "Manchmal hält das Leben keine ordentlichen Abschiede bereit."

Der Untertitel ihres Blogs war "Abenteuer einer weltreisenden, pole-tanzenden Superheldin". Sie nutzte den Blog offenbar als Tagebuch, aber auch zu Werbezwecken für ihre Arbeit. Sie schrieb über einen Urlaub mit Snowden in Hongkong, postete Youtube-Videos von sich beim Poledance sowie Fotos, die zum Teil offenbar auch Snowden zeigen. Die Webseite Buzzfeed hat einige Daten der Seite gesammelt. Laut "Guardian" war das Paar spätestens seit 2009 zusammen. Erst im vergangenen Jahr zogen sie nach Hawaii.

"Eine emotionale Achterbahn"

Am 30. Juli 2012 schrieb Mills: "Für die, die es vergessen haben, ich bin nach Hawaii gezogen, um meine Beziehung mit E. fortsetzen zu können. Es war ein ziemliches Auf und Ab, eine emotionale Achterbahn, seit ich aus dem Flugzeug gestiegen bin." Und doch gab es wohl auch andere Momente. Nach einem Tag, den sie damit zugebracht hatten, ihr Grundstück in Ordnung zu bringen, schrieb Mills: "Dies war der erwachsenste, langweiligste Augenblick den ich je hatte. Ich fühlte mich erwachsen, vorstädtisch und seltsam zufrieden."

Der "Guardian" schreibt, Mills habe offenbar Snowdens Leidenschaft für Bürgerrechte geteilt. Im vergangenen Oktober habe sie ein Foto gepostet, das offenbar sie selbst mit einer Anonymous-Maske zeige. Die Bildunterschrift lautet: "Alles was sie wollen sind unsere Seelen."

Vor drei Monaten zeichnete sich ab, dass Snowden und Mills Hawaii verlassen würden. "Wir haben erfahren, dass wir bis zum 1. Mai aus unserem Haus ausziehen müssen", schrieb sie am 15. März. "E. wechselt den Job. Und ich bereite einen Mini-Trip zurück in den Osten vor." Im März hatte Snowden bei Booz Allen Hamilton angefangen, einer Beratungsfirma, die für die NSA tätig ist. Zuvor hatte Snowden bereits für die CIA gearbeitet. Auf Hawaii bleiben sollte er offenbar nicht. "Soll ich mit E. gehen, oder allein, in die Antarktis? Wie lange soll ich zuhause (in Maryland) bleiben und wann soll ich gehen?", schrieb Mills.

"Mir ist schlecht"

Snowden nahm ihr die Entscheidung ab. Am 20. Mai flog er nach Hongkong und ließ seine Freundin zurück. Im Video-Interview mit dem "Guardian" sagte Snowden, er habe ihr nicht verraten, warum er verreisen müsse. "Das ist nicht ungewöhnlich für jemanden, der die vergangenen zehn Jahre damit verbracht hat, in der Welt der Geheimdienste zu arbeiten."

"Mir ist schlecht, ist bin müde, als würde ich die ganz Welt tragen", postete Mills am 7. Juni. Kurz zuvor hatten der "Guardian" und die "Washington Post" erstmals über die von Snowden preisgegebenen Geheimnisse berichtet. Dass ihr Freund hinter den Enthüllungen steckte, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. "Wo wir gerade von der Zeit sprechen, ich habe das Gefühl, dass meine Zeit immer weniger mir gehört. Ich könnte also sein, dass ich wieder mal auf Funkstille gehe. Ich halte euch auf dem Laufenden, oder auch nicht. Superhelden brauchen eine Aura des Geheimnisvollen!"

Letzter Eintrag vom Montag

Ihren letzten Eintrag schrieb sie am vergangenen Montag. "Während ich dies auf meiner mit Tränen beschmierten Tastatur tippe, denke ich an all die Gesichter, die meinen Weg beehrt haben. Die, mit denen ich gelacht habe. Die, die ich in den Armen gehalten habe. Die, die ich gelernt habe, am stärksten zu lieben. Und die, denen ich nie Adieu sagen konnte."

Das Hotel, in dem Snowden sich seit seiner Ankunft in Hongkong aufgehalten hatte, hat der 29-Jährige am vergangenen Montag verlassen. Sein aktueller Aufenthaltsort ist unbekannt. Dem "Guardian" hatte er gesagt, er hoffe auf politisches Asyl in Island. "Ich erwarte nicht, jemals wieder meine Heimat zu sehen, obwohl es das ist, was ich will."