Kaczynski braucht die Linken Polen müssen in Stichwahl
21.06.2010, 18:58 UhrPolens künftiger Präsident wird in einer Stichwahl bestimmt. Der Rechtsliberale Komorowski verfehlt im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. Entscheidend könnten nun linke Stimmen sein: Für Komorowskis national-konservativen Konkurrenten Kaczynski keine schöne Vorstellung.
Die polnische Präsidentenwahl wird sich am 4. Juli in einer Stichwahl zwischen Jaroslaw Kaczynski und Übergangspräsident Bronislaw Komorowski entscheiden. Im ersten Durchgang der Abstimmung, die wegen des tragischen Unfalltodes von Staatschef Lech Kaczynski vorgezogen werden musste, erreichte am Sonntag kein Kandidat die absolute Mehrheit. Nun werben beide um den Drittplatzierten, den Sozialdemokraten Grzegorz Napieralski.
Zwar konnte der Kandidat der rechtsliberalen Regierungspartei Bürgerplattform, Komorowski, die erste Runde für sich entscheiden. Nach dem von der Wahlkommission am Abend veröffentlichten Endergebnis verfehlte er mit rund 41,54 Prozent der Stimmen jedoch die absolute Mehrheit. Sein nationalkonservativer Widersacher Jaroslaw Kaczynski erreichte 36,46 Prozent. Einen Überraschungserfolg erzielte demnach der Kandidat der Linken, Napieralski, mit 13,68 Prozent der Stimmen. Er könnte Anfang Juli als Königsmacher auftreten. Alle anderen Kandidaten scheiterten an der Drei-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 55 Prozent.
Kaczynski von dem Linken abhängig
Bereits nach den ersten Prognosen hatten Komorowski und Kaczynski dem drittplatzierten Napieralski zu seinem Erfolg gratuliert und warben damit indirekt bereits um seine Unterstützung. Mit einer Wahlempfehlung hielt sich der 36-Jährige jedoch noch zurück. "Wenn ich jemandem meine Unterstützung geben muss, dann nur im Interesse der Werte im zukünftigen Polen", sagte er. Die meisten Beobachter vermuten, dass sich Napieralski gegen Kaczynski aussprechen wird, der die Linke schon häufig offen kritisierte.
Eine "Katastrophe" für Polen
Der polnische Ex-Präsident und legendäre Arbeiterführer Lech Walesa warnte die Wähler vor Kaczynski. In einem Interview mit dem Fernsehsender TVN24 nannte er ihn eine "Katastrophe", da sich Polens Beziehungen zu seinen europäischen Nachbarn, vor allem zu Deutschland, während seiner Zeit als Ministerpräsident verschlechtert hätten. "Polen ist kein Versuchskaninchen, sondern ein Teil Europas", sagte Walesa dem Sender. "Wir haben Nachbarn, mit denen wir verhandeln müssen, statt sie zu beleidigen."
Gesine Schwan, die ehemalige Beauftragte für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, äußerte im rbb die Vermutung, dass Polen bei der Wahl auf seinem pro-europäischen Kurs bleibt. Falls Kaczynski gewinnt, könne nicht ausgeschlossen werden, "dass er dann auch noch mal wieder ganz andere Töne anschlägt".
Die ursprünglich für Herbst angesetzte Präsidentschaftswahl musste wegen des tragischen Unfalltodes von Staatschef Lech Kaczynski vorgezogen werden. Er war am 10. April beim Absturz seines Flugzeuges mit 95 weiteren Mitgliedern der polnischen Staatselite nahe der russischen Stadt Smolensk ums Leben gekommen. Lech war der Zwillingsbruder von Jaroslaw Kaczynski.
Quelle: ntv.de, AFP