"Keine Folge von Sicherheitshysterie" Politik verteidigt Kontrollen
28.12.2009, 07:35 UhrNach dem vereitelten Anschlag auf ein US-Flugzeug ist die Debatte um Sicherheitsvorkehrungen im Flugverkehr nicht nur in den USA in vollem Gange. CDU-Innenpolitiker Bosbach wirbt um Verständnis für verschärfte Kontrollen, hält verschärfte Gesetze aber für unnötig. Unterdessen entpuppt sich ein neuer "Zwischenfall" als Fehlalarm.

Sicherheitskontrolle am Flughafen von Detroit.
(Foto: dpa)
Nach dem vereitelten Anschlag auf ein US-Flugzeug haben die oppositionellen Republikaner die Sicherheitsstandards bei Flugreisen kritisiert. Es sei "erstaunlich", dass trotz Warnhinweisen jemand wie der 23-jährige Nigerianer Umar Faruk Abdulmutallab ein Flugzeug in Richtung USA besteigen konnte, sagte der republikanische Minderheitsführer Mitch McConnell dem Sender "ABC".
US-Präsident Barack Obama ordnete unterdessen eine Überprüfung an, wie Listen und Datenbanken mit Terrorverdächtigen zusammengestellt und für Sicherheitskontrollen verwendet werden. Der Name des Attentäters befand sich zwar auf einer allgemeinen Beobachtungsliste. Dadurch werde aber niemand automatisch näher überprüft, sagte Regierungssprecher Robert Gibbs im US-Fernsehen.
Obama wolle zudem geklärt wissen, "wie eine Person mit chemischem Sprengstoff in Amsterdam an Bord einer Flugzeuges kommen und in die USA fliegen kann", so Gibbs. Der Präsident werde auch an seinem Urlaubsort auf Hawaii fortlaufend unterrichtet, sagte der Sprecher.
Mehr Personal statt Nacktscanner
Auch in Deutschland flammt die Diskussion um die Sicherheit im Flugverkehr wieder auf. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft forderte mehr Personal für die Kontrolle von Fluggästen. Die derzeitige personelle Ausstattung der Bundespolizei genüge nicht, sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt der "Berliner Zeitung". Der Fluggastkontrolldienst als "wichtigste Schnittstelle der Luftsicherheit" müsse "optimal" ausgestattet werden. "Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass Sicherheit nichts kostet. Wer spart, reißt Sicherheitslücken", betonte Wendt.
Der Gewerkschaftsvorsitzende warnte zudem davor, an der Kontrolle der Passagiere Zeitarbeitsfirmen zu beteiligen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dort auch Islamisten beschäftigt seien. "Deshalb haben Zeitarbeitsfirmen bei der Fluggastkontrolle nichts verloren", betonte Wendt. Er wandte sich zudem gegen Forderungen aus den USA, Nacktscanner bei den Kontrollen einzusetzen. "Nacktscanner gehen zu weit", sagte Wendt. "Sie verstoßen gegen die Menschenwürde. Sie sind auch nicht nötig, wenn mehr Personal eingesetzt wird."
Kein Gesetz gegen menschliches Versagen
Politiker von Koalition und Opposition haben sich gegen schärfere Sicherheitsgesetze gewandt. Der Vorsitzende des Bundestags- Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, verwies in der "Berliner Zeitung" darauf, dass in den vergangenen Jahren bereits viele Sicherheitslücken geschlossen worden sind. Gegen menschliches Versagen würden auch keine schärferen Gesetze helfen, fügte der CDU-Innenpolitiker hinzu.
Im "Hamburger Abendblatt" warb Bosbach um Verständnis für verschärfte Personen- und Handgepäckkontrollen. "Die Durchsuchungen an den Flughäfen sind nicht Folge einer Sicherheitshysterie, sondern leider notwendig." Es sei nun Aufgabe technischer Forschung, Durchsuchungsgeräte zu entwickeln, "die Tatmittel leichter erkennbar machen, ohne dabei die Privat- und Intimsphäre der Passagiere zu verletzen", fügte er hinzu. "Die so genannten Nackt-Scanner erfüllen diese Voraussetzungen bislang nicht."
Die FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz sagte der "Berliner Zeitung", zunächst müsse untersucht werden, wie der mutmaßliche Täter die Sicherheitsschleusen überwinden konnte. Erst dann könne über Folgen debattiert werden. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele sprach sich gegen Verschärfungen aus. Wichtig sei, dass vorhandene Informationen zusammengeführt würden. Dies hätten die US-Behörden offenbar versäumt.
Neuer "Zwischenfall" in Detroit
In den USA wurden bereits Konsequenz aus dem vereitelten Attentat gezogen. Die Sicherheitskontrollen bei Flügen in die USA und innerhalb des Landes wurden verschärft, alle Passagiere mit Ziel Vereinigte Staaten würden nunmehr am Gate abgetastet. Das berichtet die "New York Times" unter Berufung auf das US-Heimatschutzministerium. Zudem werde das Handgepäck häufiger als bisher überprüft.
Ein erneuter "Zwischenfall" auf der Linie NWA-253 entpuppte sich allerdings als falscher Alarm.Nach Angaben der Fluggesellschaft Delta-Northwest Airlines forderte die Besatzung des Fluges nach Detroit Sicherheitskräfte an, weil sich ein Passagier "verbal auffällig" verhielt. Der verdächtige Mann an Bord der mit knapp 270 Insassen besetzten Maschine habe einen "Wutausbruch" gehabt, sagte eine Sprecherin.

Sicherheitskräfte nähern sich dem Flugzeug.
(Foto: AP)
Laut FBI erregte der Mann zudem Aufmerksamkeit, da er "übermäßig" lange Zeit auf der Toilette verbrachte. Dies sei aller Wahrscheinlichkeit jedoch einer Erkrankung geschuldet gewesen. Bei der Durchsuchung des Flugzeugs und einer erneuten Gepäcküberprüfung sei nichts Auffälliges gefunden worden. Das FBI stufte den Zwischenfall als "nicht ernsthaft" ein. Der Mann wurde dennoch in Gewahrsam genommen.
Anklage gegen Attentäter erhoben
Unterdessen wurde der Attentäter Abdulmutallab in ein US-Bundesgefängnis verlegt. Nach der Behandlung seiner Brandverletzungen in einem Krankenhaus in Ann Arbor nahe Detroit sei der 23-Jährige in das rund 15 Kilometer südlich gelegene Gefängnis von Milan gebracht worden, sagte seine Anwältin Miriam Siefer.
Abdulmutallab hatte US-Medienberichten zufolge 80 Gramm des hochexplosiven Sprengstoffs PETN durch die Sicherheitskontrollen am Abflugort Amsterdam an Bord des Delta-Airbus geschmuggelt. Weil ein Zünder nicht richtig funktionierte, entgingen die knapp 300 Menschen an Bord einem Inferno. Der 23-Jährige erlitt schwere Verbrennungen und wurde inzwischen von der US-Justiz angeklagt.
Laut US-Medien wurde den Anschlag von El Kaida im Jemen geplant, die Bombe habe ebenfalls von dort gestammt. Abdulmutallab sei in dem arabischen Land auf die Selbstmordmission vorbereitet worden.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP