Nach der Tragödie von Erfurt Politiker ziehen an einem Strang
30.04.2002, 07:42 UhrUnions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) unter dem Eindruck des Amoklaufs von Erfurt ein parteiübergreifendes Bündnis gegen die Gewalt angeboten. Auf diese Weise könnte etwa über den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat noch im Frühsommer eine Verschärfung des Waffenrechts erreicht werden, sagte Stoiber im ZDF. Unter anderem sollte das Erwerbsalter für großkalibrige Waffen von 18 auf 21 Jahre heraufgesetzt werden.
Ähnliche Vorschläge hatten zuvor die Bundesregierung sowie die Gewerkschaft der Polizei vorgelegt. Mehrere SPD-regierte Länder sprachen sich für eine Anhebung des Mindestalters für den Besitz und das Führen von Waffen aus, die Unions-Innenminister von Bayern und Bremen schlossen sich dem bereits grundsätzlich an. Die SPD-Innenminister von Bund und Ländern wollen deshalb den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck sprach sich in Mainz für ein regelmäßig tagendes Forum gegen Gewalt in den Medien aus. Diesen Vorschlag werde er in der kommenden Woche beim Treffen der Regierungschefs mit Bundeskanzler Schröder machen. Der Kanzler hatte das Treffen einberufen und Gespräche mit den Intendanten der großen Fernsehanstalten angeregt. Stoiber betonte, die Union wolle auch ihr Wahlprogramm entsprechend überarbeiten. Ziel sei, etwa bei Gewaltverherrlichung oder Killervideos sehr deutliche Positionen zu besetzen.
Trauerfeier mit Rau und Vogel
Bei einer zentralen Trauerfeier am Freitag auf dem Domplatz wollen außer anderen Spitzenpolitikern Schröder, Stoiber sowie Bundespräsident Johannes Rau der Opfer gedenken. Im Anschluss ist ein ökumenischer Gottesdienst vorgesehen. (n-tv und n-tv.de übertragen die Trauerfeier am Freitag, 3.Mai, ab 11 Uhr live.)
Ermittlungen und Mutmaßungen
Die Thüringer Landesregierung beschloss als Sofortmaßnahme zugunsten der Hinterbliebenen der Opfer eine Soforthilfe in Höhe von 5.000 Euro für jede betroffene Familie. Das Kabinett nahm zudem einen ersten Zwischenbericht des Innenministers über die Polizeiarbeit und des Justizministers über die Arbeit der Staatsanwaltschaft entgegen.
Der Amokläufer hatte bei der Bluttat eine große Menge Munition für seine Pumpgun dabei. Seine Opfer tötete er aber mit über 40 Schüssen aus einer Neun-Millimeter-Pistole. Beide Waffen hatte er legal erworben.
Robert Steinhäuser plante das Massaker nach bisherigen Erkenntnissen monatelang. "Davon gehen wir aus, dass er sie seit längerer Zeit geplant hat", sagte Innenstaatssekretär Manfred Scherer. Wenn als Zeitpunkt der Schulverweis genommen werde, seien es mehrere Monate. Zudem habe er Zeit für den Munitionskauf gebraucht.
Aus dem Bekanntenkreis des Täters gibt es nach Polizeiangaben Hinweise, dass er per Handy Kurznachrichten (SMS) mit Warnungen vor einem Schulbesuch verschickt habe.
Die Polizei hat die Ermittlungen mittlerweile weitgehend abgeschlossen und will Anfang kommender Woche einen ersten Zwischenbericht vorlegen. Die Spurensicherung am Tatort ist fast beendet.
Der 19-jährige Robert Steinhäuser hatte am Freitag 16 Menschen und sich selbst erschossen. Inzwischen haben die Gerichtsmediziner die Obduktion der Opfer abgeschlossen. Nach dem vorläufigen Obduktionsergebnis wurden die Opfer des Amoklaufs durch Kopf-, Bauch- und Rückenschüsse aus der Pistole des 19-Jährigen getötet.
Quelle: ntv.de