Politik

Breivik hatte Kontakt zu Ultrarechten Polizei folgt Spur nach England

Mit Rosen gedenken die Norweger der Attentate.

Mit Rosen gedenken die Norweger der Attentate.

(Foto: AP)

Britische Medien berichten von Kontakten des norwegischen Attentäters Breivik zur ultrarechten English Defence League. Demnach nahm er auch an Demonstrationen auf der Insel teil. Die norwegischen Ermittler erwägen derweil, Breivik auch wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen. Die Regierung lobt die Polizeiarbeit.

Die britische Polizei geht Berichten nach, dass der Attentäter von Norwegen Verbindungen zu rechtsextremen britischen Gruppen hatte. Bislang gebe es keine Hinweise darauf, dass Anders Behring Breivik die Taten in Großbritannien geplant habe, berichteten Medien. Offiziell hatte es am Montag aus London lediglich geheißen, ein Vertreter von Scotland Yard sei nach Norwegen geschickt worden.

Blumen an der Osloer Kathedrale.

Blumen an der Osloer Kathedrale.

(Foto: REUTERS)

Mehrere Zeitungen nannten allerdings Details, denen zufolge Breivik im vergangenen Jahr unter anderem eine Demonstration der ultrarechten English Defence League (EDL) besucht haben und mit Mitgliedern der Gruppe über das Internet in Kontakt gewesen sein soll. Laut "Independent" und "Daily Telegraph" hatten rund 150 EDL-Mitglieder über das Internetnetzwerk Facebook Verbindungen zu Breivik. Der Norweger soll einen "hypnotischen Effekt" ausgeübt haben, wird ein EDL-Mann zitiert. Breivik hatte in einer im Internet verbreiteten Hassschrift über Kontakte nach England gesprochen.

Der Vorsitzende der EDL, Stephen Lennon, verurteilte die Taten des Norwegers erneut und wies Verbindungen zu ihm zurück. In mehreren Statements auf ihrer Internetseite distanzierte sich die Gruppe von den Taten. In einem Interview mit dem Sender BBC warnte Lennon jedoch, dass ein ähnliches Attentat "in den nächsten fünf bis zehn Jahren" auch in Großbritannien passieren könne.

Auch Empfänger in Deutschland

In der Zeitung "The Guardian" hieß es, die europäische Polizeibehörde Europol habe weitere Mitarbeiter von Scotland Yard angefordert, um den Verbindungen des Attentäters ins Vereinigte Königreich nachzugehen. Premier David Cameron hatte am Montag angekündigt, Großbritannien überprüfe nach den Attentaten die Sicherheitslage im eigenen Land. Unter anderem sollten gewaltbereite Rechtsextreme noch stärker in den Fokus rücken.

Einzeltäter oder Teil eines Netzwerks? Beides scheint bei Breivik derzeit noch möglich.

Einzeltäter oder Teil eines Netzwerks? Beides scheint bei Breivik derzeit noch möglich.

(Foto: dpa)

Sein 1500-Seiten-Pamphlet schickte Breivik auch an deutsche Adressen. "Die werden jetzt natürlich überprüft", sagte der Chef des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts (LKA), Wolfgang Gatzke. Bislang hatten die Sicherheitsbehörden erklärt, es gebe keine Bezüge Breiviks nach Deutschland. Die Polizei beobachte nach den Terroranschlägen verschärft die rechte Szene in Deutschland, so Gatzke. Die Reaktionen in den einschlägigen Internetforen seien aber verhalten: "In der Szene ist kein großer Jubel ausgebrochen."

Neuer Straftatbestand erwogen

Am Montagabend gedachten Hunderttausende Norweger in Oslo und anderen Städten mit "Rosenzügen" der Opfer der beiden Terroranschläg. Allein in Oslo versammelten sich rund 200.000 Menschen zu einer Kundgebung, schätzte die Polizei. Hier forderten Ministerpräsident Jens Stoltenberg und Kronprinz Haakon ihre Landsleute auf, auf das furchtbare Verbrechen durch aktiven Einsatz für eine weiter offene, liberale, und tolerante Demokratie zu reagieren. Bereits am Mittag hatte das Land eine Schweigeminute eingelegt.

Zuvor hatte der Attentäter Breivik die Taten gestanden. Zugleich plädierte er jedoch auf "nicht schuldig". Der zuständige Richter Kim Heger ordnete nach der ersten Anhörung eine achtwöchige Untersuchungshaft für den 32-Jährigen an - doppelt so viel wie normalerweise üblich. Vier der acht Wochen muss Breivik in vollständiger Isolation verbringen, darf weder Besuch empfangen noch Briefe schreiben oder erhalten. Ein Psychiater wird seine Zurechnungsfähigkeit untersuchen.

Der Schmerz sitzt tief: Trauernde in Oslo.

Der Schmerz sitzt tief: Trauernde in Oslo.

(Foto: dpa)

Die norwegischen Ermittler erwägen offenbar auch eine Strafverfolgung des Attentäters wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Bislang sei dies aber nur "eine Möglichkeit", berichtete die Zeitung "Aftensposten" unter Berufung auf Staatsanwalt Christian Hatlo. Eine Verurteilung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zieht in Norwegen eine Maximalstrafe von 30 Jahren Haft nach sich. Dagegen hat die Wertung als Terrorakt eine Höchststrafe von 21 Jahren. Allerdings könnte Breivik auch dann für immer hinter Gittern bleiben. Denn schon beim Urteilsspruch kann ein Gericht die sogenannte Verwahrung ("forvaring") verhängen, deren Ende ungewiss ist. Als psychisch kranker Straftäter käme er in eine geschlossene Fachklinik.

"Andere Konzeption der Wirklichkeit"

Breiviks Anwalt Geir Lippestad sagte, sein Mandant lebe in einer völlig anderen Realität. "Er hat eine völlig andere Konzeption der Wirklichkeit als wir anderen Norweger", so der Anwalt. "Zum Beispiel glaubt er, dass in Norwegen (im Gefängnis) Folter existiert." Nach Angaben der Polizei handelt es sich bei dem 32-Jährigen um einen "christlichen Fundamentalisten" mit Kontakten zur rechtsextremen Szene. Breivik hätte erwartet, auf dem Weg zum Gericht, erschossen zu werden, sagte Lippestad weiter. "Er hat mehrfach gesagt, dass er erwarte, getötet zu werden." Zwei Männer griffen bei seiner Ankunft am Gericht in Oslo tatsächlich sein Auto an und beschimpften Breivik, doch einen Mordanschlag gab es nicht. Lippestad sagte,

Als Motiv habe Breivik angegeben, Norwegen gegen den Islam und den Marxismus verteidigen zu wollen, sagte Richter Heger. Die Entscheidung, die Anhörung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden zu lassen, begründete der Richter mit ermittlungstaktischen Gründen und Sicherheitsbedenken. Breivik hatte sich laut seinem Anwalt "gewünscht", dass die Anhörung öffentlich stattfinde und er eine Uniform tragen dürfe, was das Gericht auch ablehnte.

Vor dem Haftrichter sagte der Attentäter, er habe nicht das Ziel gehabt, so viele Menschen wie möglich zu töten. Vielmehr habe er ein starkes Signal senden wollen, das nicht missverstanden werden könne. Er wollte nach eigenen Angaben der sozialdemokratischen Arbeiterpartei größtmöglichen Schaden zufügen. Sie sei für die massenhafte Einwanderung von Muslimen verantwortlich und habe dafür bezahlen müssen. Breivik sprach von "zwei weiteren Zellen in unserer Organisation". Weitere Einzelheiten wurden dazu nicht mitgeteilt. Der Attentäter machte laut Ermittlern "einen ruhigen und unberührten Eindruck".

Regierung lobt Polizeiarbeit

Die Polizei korrigierte unterdessen die Zahl der Opfer nach unten. Bei den zwei Anschlägen kamen demnach 76 Menschen ums Leben. Acht starben beim Bombenattentat im Regierungsviertel. Bei dem anschließenden Massaker unter jugendlichen Teilnehmern eines sozialdemokratischen Ferienlagers auf der Insel Utøya gab es 68 Tote. Zuvor gingen die Behörden von 93 Toten aus. Die Polizei kündigte an, die Namen der Todesopfer veröffentlichen zu wollen. Die Korrektur der Todeszahlen begründete die Polizei mit der "sehr schwierigen Ermittlungslage".

Ein Land trauert: Nach der mittäglichen Gedenkminute zeigen sich die Menschen auch am Montagabend solidarisch im Gedenken.

Ein Land trauert: Nach der mittäglichen Gedenkminute zeigen sich die Menschen auch am Montagabend solidarisch im Gedenken.

(Foto: dpa)

Die norwegische Regierung lobte derweil den Einsatz der Polizei nach den Anschlägen. Die Polizei habe "eine fantastische Arbeit" geleistet, sagte Justizminister Knut Storberget nach einem Gespräch mit dem Osloer Polizeichef. Es sei sehr wichtig, dass man den Einsatz offen und kritisch bewerte, sagte Storberget. "Aber alles zu seiner Zeit." Der Minister bezog sich auf die vor allem in den Medien geäußerte Kritik, die Polizei habe zu lange gebraucht, um auf die Insel Utöya zu gelangen, auf der der Attentäter um sich schoss.

Die norwegische Polizei räumte indes ein, im März auf Breivik aufmerksam gemacht worden zu sein. Er sei auf einer Liste aufgetaucht, weil er bei einem polnischen Chemieunternehmen einen Einkauf im Wert von umgerechnet 15 Euro getätigt habe, sagte die Chefin des Polizeisicherheitsdiensts PST, Janne Kristiansen, dem norwegischen Fernsehsender NRK. Die Firma stehe unter Beobachtung, Breiviks Einkauf sei aber zu unbedeutend gewesen. Zuvor hatten bereits die polnischen Sicherheitsbehörden mitgeteilt, dass Breivik Chemikalien über das Internet unter anderem bei einer Firma in Breslau bestellt habe.

Ein Sprecher von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström forderte in Brüssel eine Verschärfung der Bestimmungen zum Handel mit solchen Substanzen. Entsprechende Vorschläge lägen vor, sagte er.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/rts/AFP

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