Politik

Freitag der 13. für Vattenfall Polizei im AKW Krümmel

Nach den Zwischenfällen im Atomkraftwerk Krümmel bei Hamburg haben sich Polizisten mit einem Durchsuchungsbeschluss Zutritt zu Leitstand und Büros der Anlage verschafft. Danach konnten die Ermittler den Reaktorfahrer des Unglückstags befragen, teilte der Lübecker Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz mit.

Vor der Aktion habe der Betreiber Vattenfall die Personalien des Angestellten den Behörden nicht geben wollen. "Nach Vorlage der Beschlüsse war die Leitung bereit, den Namen zu nennen. Man hat nicht die Schränke durchwühlen müssen", sagte Schultz.

Fahrlässige Körperverletzung?

Der Staatsanwaltschaft geht es um den Hintergrund des Trafo-Brandes am 28. Juni. Damals war Rauch in den Leitstand gelangt, der Reaktorfahrer musste Atemschutz anlegen. "Es ist daher nicht auszuschließen, dass er Anzeichen einer Rauchvergiftung wie Reizungen der Schleimhäute, Atemnot oder Ähnliches erlitten hat." Dies könne den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung erfüllen.

Der für Vattenfalls Atomkraftwerke zuständige Geschäftsführer Bruno Thomauske wies den Vorwurf zurück, sein Unternehmen würde Ermittlungen behindern. "Wir hatten versucht, gestern Abend noch Kontakt mit der Staatsanwaltschaft aufzunehmen." Dies sei nicht gelungen. Thomauske sagte, es gebe ein schützenswertes Interesse des Reaktorfahrers, das Unternehmen müsse seine Fürsorgepflicht ihm gegenüber wahrnehmen.

Schleswig-Holsteins Justizminister Uwe Döring (SPD) stützte das Vorgehen der Staatsanwälte. "Trotz der Zusage, die Öffentlichkeit umfassend und umgehend zu informieren, verweigert Vattenfall der Staatsanwaltschaft die Einsicht in die Dienstpläne." Auf diese Art die Ermittlungen zu behindern, sei "nicht akzeptabel". Im Landtag fügte er hinzu: "Ich bin fassungslos über so ein Verhalten."

Vattenfall reagiert - mit Pressearbeit

Zumindest bei der Öffentlichkeitsarbeit will sich der Konzern künftig besser aufstellen. Vattenfall-Europe-Chef Klaus Rauscher wolle künftig einen Berater beschäftigen, der ihn in der Berliner Zentrale über meldepflichtige Vorkommnisse in AKW informiere, berichtete die "Wirtschaftswoche". Der Berater solle auch für Rauscher abwägen, welche Informationen an die Öffentlichkeit gegeben werden sollen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz rechnet damit, dass Vattenfall sich mit einem "Bauernopfer" aus der Affäre ziehen will. Dies hätten andere Vorfälle in den Anlagen Forsmark (Schweden) und Brunsbüttel gezeigt, sagte BUND-Atomexperte Thorben Becker. "Es läuft immer nach dem gleichen Muster ab: Vertuschen, verheimlichen, verschweigen. Dann werden einige Mitglieder des Bedienpersonals geopfert und man verspricht eine bessere Informationspolitik."

Betriebserlaubnis für Krümmel auf der Kippe

Krümmel war nach dem Brand automatisch vom Netz gegangen und steht seither still. Die schleswig-holsteinische Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD), die auch für die Atomaufsicht zuständig ist, sagte: "Ich habe alle Register gezogen und erreicht: Krümmel bleibt vorerst abgeschaltet."

Ob das AKW Krümmel, in dem es eine ganze Reihe von Pannen gab, wieder ans Netz geht, ist offen. Das Sozialministerium prüft, ob Vattenfall die Betriebserlaubnis entzogen wird. "Wie es nach der Revision weiter geht, wird sich zeigen", sagte Trauernicht.

An der Dimension der Zwischenfälle ließ Trauernicht keinen Zweifel: Was sich mit Bränden und Schnellabschaltungen zweier Reaktoren binnen zwei Stunden abgespielt habe, sei in Deutschland bisher einmalig. Die Opposition mochte sich mit Trauernichts erneuten harten Attacken auf Vattenfall nicht zufrieden geben - erstmals verlangten auch die Grünen den Rücktritt der eigentlich atomkritischen Ministerin. Die FDP bekräftigte diese Forderung. Das Vertrauen sei dahin, hieß es; mit ihrer Informationspolitik habe die Ministerin ebenso versagt wie Vattenfall.

Die CDU-Fraktion, die im Grundsatz an der Atomenergie festhält, ließ sich auf die Forderung an die schwarz-rote Landesregierung ein, Vattenfall nach den laufenden Zuverlässigkeitsprüfungen gegebenenfalls die Betriebserlaubnis zu entziehen. Trauernicht sagte zu, hier alle Möglichkeiten aus dem Atomgesetz auszuschöpfen.

Anzeige gegen Vattenfall

Umweltschützer fordern einen sofortigen Entzug der Betriebserlaubnis für Krümmel. Der BUND kündigte eine Strafanzeige gegen Vattenfall wegen der Pannenserie im AKW Krümmel an. Es bestehe der Verdacht, dass das Atomkraftwerk nicht ordnungsgemäß betrieben werde. Der BUND sprach von einem "unverantwortlichen Umgang" Vattenfalls mit den Sicherheitsvorschriften.

Erst am Donnerstag hatte Vattenfall mitgeteilt, in Krümmel sei ein weiterer Schaden entdeckt worden: ein etwa zwei Millimeter großes Loch an einem Entlüftungsstutzen der Vorwärmanlage im Turbinenbereich. Radioaktivität sei nicht festgestellt worden.

Vattenfall will nach Angaben des Kieler Sozialministeriums bis Ende der Woche einen Zwischenbericht über die Vorfälle abliefern. Unter Verweis auf diesen Bericht hatte sich der Konzern auch tagelang gegen eine Befragung des Reaktorfahrers und des Schichtführers durch die Atomaufsicht gestemmt. Nun sollen die Mitarbeiter voraussichtlich am Montag befragt werden.

Quelle: ntv.de

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