Falltür aus Stahl und Bombenattrappen Polizei räumt besetztes Haus
02.02.2011, 18:55 Uhr
Mit einer Axt verschafft sich die Polizei Eintritt.
(Foto: dpa)
Es war eines der letzten besetzten Häuser in Berlin. Seit Wochen ruft die linksextreme Szene zum Widerstand gegen die Räumung der "Liebig 14" auf. Die Polizei verschafft sich gewaltsam Zugang. Fünf Beamte werden verletzt, 32 Personen festgenommen. Danach kommt es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei.
Mit einem Großaufgebot hat die Polizei eines der letzten besetzten Häuser in Berlin geräumt und den beiden Eigentümern übergeben. 32 Personen wurden vorläufig festgenommen. Ihnen wird gefährliche Körperverletzung, schwerer Landfriedensbruch und Widerstand gegen die Beamten vorgeworfen. Fünf Polizisten wurden verletzt. Insgesamt war die Polizei mit 2500 Kräften im Einsatz, um in den Nachbarvierteln auch dort aufflammende Proteste zu unterbinden. Immer wieder kam es nach der Räumung zu Scharmützeln zwischen Sympathisanten der Besetzer und der Polizei.
Über fünf Stunden dauerte der Polizeieinsatz. Die Besetzer des Hauses Liebigstr. 14 hatten massive Barrikaden errichtet, Türen mit Stahlträgern und Holzbohlen verstärkt und Mauern aus Stein hochgezogen, berichtete die Polizei. Das Haus war kaum noch bewohnbar. Auch Bombenattrappen fanden die Beamten. Hausbesetzer und Unterstützer aus der linken Szene skandierten in Sprechchören: "Wir bleiben alle".
Von Balkonen umliegender Häuser wurde mit Löffeln, Schüsseln und Töpfen Krach geschlagen.
Polizei durchbricht Wand
Die Polizei, die einem Gerichtsvollzieher Amtshilfe leisten musste, versuchte zunächst vergeblich mit Äxten und einem Rammbock in das Haus einzudringen. Die Besetzer hatten eine massive Stahltür eingebaut und diese von innen mit einer Falltür und Stahlträgern verstärkt. Schließlich verschafften sich die Polizisten über den Dachboden des Nachbarhauses Zugang. Dazu wurde eine Wand durchbrochen. Auf den Dächern der anderen Häuser hatte sich ein Spezialeinsatzkommando der Polizei postiert, da Steinwürfe befürchtet wurden.
In der Nähe der abgeriegelten Straßen kam es zu Gewalt gegen Polizisten. Vermummte Randalierer schleuderten Flaschen und andere Wurfgeschosse. Ein Polizist wurde mit einem Knalltrauma ins Krankenhaus gebracht. Vermutlich sei ein Böller direkt an seinem Kopf explodiert, sagte ein Sprecher. Schon am Wochenende war es bei einer Demonstration gegen die Räumung zu massiven Auseinandersetzungen gekommen.
Grüne gegen Grüne
Die Räumung löste einen politischen Disput aus. Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast, verteidigte die Aktion. Sie sei rechtmäßig, sagte die Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Ihr Berliner Parteikollege Hans-Christian Ströbele kritisierte dagegen die Räumung. Freiräume in der Stadt gingen verloren. Es sei absurd, dass keine Lösung für das alternative Wohnprojekt gefunden worden sei. CDU-Landeschef Frank Henkel warf Ströbele Heuchelei vor. Er verharmlose die linke Szene und schwinge sich als Vermittler auf.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) betonte, die Polizei wolle keine Eskalation, sei aber zur Amtshilfe verpflichtet. Die Bundesvorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch, warf dem Senat vor, zur Eskalation beigetragen zu haben. In Berlin regiert eine Koalition von SPD und Linken. "Die Verantwortung für diese Entwicklung liegt natürlich bei den politisch Verantwortlichen, dem Senat", sagt Lötzsch der Zeitung "Neues Deutschland".
Gericht entschied gegen Besetzer
Die Besetzer waren am Dienstag mit dem Versuch gescheitert, die Räumung in letzter Minute per Gerichtsentscheid zu verhindern. Der Altbau im Ostteil Berlins war 1990 besetzt worden. Die Bewohner erhielten später Mietverträge, ihnen wurde aber gekündigt, als zwei Privatleute das Haus Ende der 90er Jahre kauften.
Die Räumung besetzter Häuser hat in Berlin wiederholt für politischen Zündstoff gesorgt. 1990 kam es zu einer mehrtägigen Straßenschlacht in Friedrichshain. Der rot-grüne Senat stürzte über die Gewalteskalation. Noch etwa 20 Häuser in Berlin gelten als besetzt.
Quelle: ntv.de, Andreas Rabenstein und Jutta Schütz, dpa