Brandsätze in Berlin Polizei will verdeckt ermitteln
14.10.2011, 06:53 Uhr
Undercover in Berlin: Die Polizei will mehr Beamte einsetzen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Öffentlich denken die Sicherheitsbehörden darüber nach, wie die linksextreme Szene in Deutschland im Zaum gehalten werden soll. Die Polizei will das politische Lager "unterwandern", der Verfassungsschutz mit mehr verdeckten Ermittlern agieren. Seit dem 11. September 2001 habe es andere Prioritäten gegeben, heißt es. Die Bundesregierung denkt indes über mehr Kameras an Bahnhöfen nach.
Wegen der versuchten Brandanschläge auf Bahnanlagen im Großraum Berlin fordern Polizei und Verfassungsschutz eine stärkere Überwachung linksextremistischer Gruppen - auch durch den Einsatz verdeckter Ermittler.
Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", im Bereich des Linksextremismus habe man es zu lange schleifen lassen. "Der Polizei fehlen bundesweit einige hundert Staatsschützer, die nach dem 11. September 2001 für den Anti-Terror-Kampf abgezogen worden sind", kritisierte der BDK-Chef. "Diese großen Lücken dürfen wir uns nicht leisten."
Szene "unterwandern"
Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, verlangte, die linksextremistische Szene "viel intensiver als bisher mit verdeckten Ermittlern zu unterwandern". An diesen Spezialisten fehle es der Polizei aber an allen Ecken und Enden. Die eingeschleusten Ermittler müssten zudem befugt sein, "sich zum Schein an szenetypischen Straftaten zu beteiligen, sonst bleibt ihr Einsatz ein stumpfes Schwert".
Auch am Donnerstag war in Berlin ein Brandsatz gefunden worden. Damit stieg die Zahl der entdeckten Brandsätze seit Beginn der Woche auf 18. Die meisten konnten unschädlich gemacht werden - zwei zündeten aber. Die mutmaßlich linksextremen Täter wollen mit ihren Brandsätzen an Gleisen und in Kabelschächten den Bahnverkehr lahmlegen. Bisher gibt es aber trotz eines Bekennerschreibens einer linksextremistischen Gruppe keine konkreten Hinweise auf die Täter und ihr Umfeld.
Wegen des Verdachts der "verfassungsfeindlichen Sabotage" hatte die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Die Bahn hat 100.000 Euro Belohnung für Hinweise ausgesetzt, mit denen die Täter der versuchten Brandanschläge ergriffen werden können. Sollten die Taten aufgeklärt werden, drohte die Bahn den Verantwortlichen mit Schadenersatzklagen "in Millionenhöhe".
Der Verfassungsschutz geht von einer isolierten Einzelgruppe aus. "Derartige Angriffe auf Infrastruktur, mit dem Ziel maximalen Schaden zu verursachen, sind auch für die gewaltbereite Szene in Berlin eine Besonderheit", sagte Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid dem "Tagesspiegel"
Mehr Kameras
Die Bundesregierung erwägt, "an neuralgischen Stellen wie Hauptbahnhöfen mehr Kameras einzusetzen". Das sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU). Ein lückenloser Schutz sei bei 34.000 Kilometern Netzlänge allerdings nicht möglich. Auch er sprach von "einer neuen Dimension extremistischer Gewalt".
Der Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Sebastian Nerz, sieht dagegen keinen neuen Extremismus. "Ich würde da eher von einer neuen Dimension von Brandstiftung reden", sagte Nerz der "Rheinischen Post". Die Taten dürften nicht verharmlost werden. Aber ein ideologischer Überbau oder ein "großes Ziel" scheine völlig zu fehlen, ebenso wie eine weitergehende quasi-professionelle Struktur oder Gruppe. Eine Terrorismusdebatte sei somit verfrüht.
Quelle: ntv.de, dpa