Rätselhafter Mordfall in China Polizisten geben Vertuschung zu
10.08.2012, 20:20 Uhr
Gu Kailai im Gerichtssaal.
(Foto: AP)
Ein Mord in China sorgt weltweit für Aufsehen und zieht weitere Kreise: Die Frau eines ehemaligen Spitzenfunktionärs gesteht die Tat, und Polizisten geben zu, Beweise manipuliert zu haben. Währenddessen wird der entmachtete Politiker an einem unbekannten Ort festgehalten.
Im Fall der Ermordung des britischen Geschäftsmannes Neil Heywood in der chinesischen Metropole Chongqing hat die Polizei gravierendes Fehlverhalten eingeräumt. Vier Beamte gaben nach offizieller Darstellung zu, bei ihren Ermittlungen Beweise manipuliert zu haben, um die inzwischen angeklagte Ehefrau Gu Kailai des einst mächtigen Politikers Bo Xilai zu entlasten.
Aussagen seien gefälscht, Beweismittel unterschlagen worden, sagte ein Gerichtssprecher im ostchinesischen Hefei. Zudem hätten die Polizisten keine Autopsie vorgenommen, sondern die Leiche eingeäschert. Einer der betroffenen Beamten sei ein Freund der Familie Bo gewesen. Bei der Anhörung der Beamten wurde wie schon im Prozess gegen Gu der Name Bo Xilai nicht erwähnt.
Die vier Polizisten waren alle an Chongqing tätig, wo Gus Ehemann Bo Mitte März als Chef der Kommunistischen Partei entlassen wurde. Unklar ist, ob die Beamten auf Anweisung Gus oder Bos handelten. Ebenso ist unklar, ob Bo von der Vertuschung wusste. Der Politiker wird an einem unbekannten Ort festgehalten.
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft vergiftete Gu den Geschäftsmann nach einem Treffen im November in einem Luxushotel in der Stadt Chongqing. Sie und ihr Sohn Bo Guagua hatten nach Angaben der Ermittler Streit mit dem Briten. Worum es dabei gehen sollte, blieb offen.
Lange Haftstrafe wahrscheinlich
Der Prozess gegen Gu war am Donnerstag in einem eintägigen Verfahren über die Bühne gebracht worden, ein Urteil steht aber noch aus. Die von der Justiz gestellte Verteidigung von Gu habe der Mordanklage "nicht widersprochen", sagte ein Gerichtsvertreter in Hefei im Osten des Landes. Die Nachrichtenagentur Xinhua zitierte Gu am Freitag mit den Worten, sie werde aus Respekt vor dem Gesetz "gefasst jedes Urteil annehmen" und hoffe auf einen "fairen und gerechten" Richterspruch. Sie wolle die Verantwortung tragen für die großen "Verluste" für Partei und Land. Zur Tatzeit habe sie einen "Nervenzusammenbruch" erlitten aus Angst um ihren Sohn, der "in Gefahr" gewesen sei.
Gu und ihr Mann Bo galten lange Zeit als eines der perfektesten "roten Paare" des Landes. Beide sind Kinder von Helden der kommunistischen Revolution. Ihre elitäre Abstammung brachte den Prinzlingen, wie die Kinder von hochrangigen Parteifunktionären genannt werden, enorme Vorteile. Bo wurde als Kandidat für höchste Parteiämter gehandelt. Nun könnten Gu ihre Familienverbindungen das Leben retten.
Staatsmedien hatten darauf verwiesen, dass Gu durch die Tat möglicherweise ihren Sohn vor Drohungen Heywoods schützen wollte. Dies könnte ihr als mildernder Umstand angerechnet werden. Beobachter gehen davon aus, dass Gu die Todesstrafe erspart bleibt und sie zu etwa 15 Jahren Haft verurteilt wird.
Der Prozess gegen die international bekannte Juristin Gu steht mit aktuellen Machtkämpfen in der Regierungspartei im Zusammenhang. Ihr Ehemann Bo galt lange als aussichtsreicher Kandidat für einen Führungsposten in der Kommunistischen Partei. Er war im März dieses Jahres als Chef der Kommunistischen Partei in der Region Chongqing abgesetzt worden. Am 11. April verlor der charismatische Politiker seinen Sitz im Politbüro der Partei, während seine Frau am gleichen Tag unter Mordverdacht festgenommen wurde.
Nach Medienberichten aus Hongkong soll nächste Woche auch dem früheren Polizeichef von Chongqing, Wang Lijun, der Prozess gemacht werden. Dieser war jahrelang Bos Verbündeter gewesen, hatte aber im Februar die Affäre ans Licht gebracht. Wang war damals kurzzeitig in das US-Konsulat der Stadt Chengdu geflohen und hatte dort von dem Mordverdacht gegen Bos Frau berichtet. Er soll sich danach der Polizei gestellt haben. Ihm werde Verrat zur Last gelegt, hieß es.
Quelle: ntv.de, jga/dpa/rts/AFP