Mini-Putsch auf Malediven Präsident weicht Machtkampf aus
07.02.2012, 16:44 Uhr
Die Malediven sind als Urlaubsparadies bekannt. Durch den Klimawandel sind sie akut bedroht.
(Foto: dpa)
Der demokratisch gewählte Präsident der Malediven tritt nach einem Machtkampf mit Anhängern seines autokratischen Vorgängers zurück. Die Opposition ist zufrieden: Bis zur Wahl 2013 darf der bisherige Vizepräsident im Amt bleiben. Auch die bekannte Anonymous-Maske taucht in dem Mini-Putsch auf.
Der erste demokratisch gewählte Präsident der Malediven, Mohamed Nasheed, ist zurückgetreten. Sein Amtsverzicht folgt auf Proteste in der Hauptstadt Male, die zumindest von Teilen der Sicherheitskräfte unterstützt worden waren.
Der 44-Jährige sagte in einer Fernsehansprache, sein Rücktritt sei "besser für das Land". Er wolle nicht durch Gewalt an der Macht bleiben.
Die unabhängige Nachrichtenseite "Minivan News" hatte zuvor gemeldet, 60 bis 80 Offiziere der Armee hätten sich der Opposition angeschlossen und zusammen mit 400 bis 500 Demonstranten sowie Angehörigen der Polizei ein Armee-Gebäude in der Hauptstadt attackiert. Später übernahmen Angehörige der Opposition den staatlichen Rundfunk MNBC, der daraufhin das Programm des Privatsenders VTV ausstrahlte, der dem Millionär und Oppositionspolitiker Qasim Ibrahim gehört.
Anonymous in Male?
Zugleich änderten die Besetzer des Senders den Namen MNBC in TVM - diesen Namen hatte der Sender bis zur Wahl von 2008. Auch die Website von MNBC ist offenbar gehackt. Sie zeigt das Bild der bekannten Anonymous-Maske und einen Spruch der Gruppe. Wer hinter dieser Aktion steckt, ist unklar.
Ein Armeesprecher erklärte, es handle sich bei dem Machtwechsel "absolut nicht" um einen Staatsstreich. Die Armee versicherte auch, Nasheed verfüge über Bewegungs- und Kommunikationsfreiheit. Er habe selbst bei der Armee nachgefragt, ob er noch über ihre Unterstützung verfüge oder zurücktreten solle. Nachdem er "die Botschaft" erhalten habe, sei er dann zurückgetreten.
Als neuer Staatschef des Inselarchipels im Indischen Ozean wurde Nasheeds bisheriger Stellvertreter Mohamed Waheed vereidigt. Er gilt als westlich geprägt und hat lange bei den Vereinten Nationen gearbeitet.
Rache für 2008
Ein drastischer Kurswechsel ist von Waheed nicht zu erwarten. Beobachter sagten, der Opposition sei es weniger um einen Sturz der Regierung gegangen: Ihr war vor allem der charismatische Nasheed ein Dorn im Auge, der den früheren Präsidenten Maumoon Abdul Gayoom aus dem Amt gejagt hatte und als "Ikone des Wechsels" gefeiert worden war.
Gayoom hatte die Inselkette 30 Jahre lang mit eiserner Hand regiert. Nasheed hatte jahrelang friedlich für demokratische Reformen auf den Malediven gekämpft. Unter Gayoom war er immer wieder in politischer Gefangenschaft.
Waheed soll bis zum Ende der ursprünglichen Amtszeit des bisherigen Präsidenten im November 2013 einer Regierung der nationalen Einheit vorstehen. Nach seiner Vereidigung erklärte er, es werde keine ungesetzlichen Befehle an die Sicherheitskräfte geben. Dabei stellte er den Machtübergang als verfassungsgemäß dar. Zugleich rief Waheed dazu auf, "persönlichen Hass und Eifersucht" zu beenden.
Drei Wochen Demonstrationen und Krawalle
Nasheed war 2008 mit 54,2 Prozent zum Präsidenten gewählt worden. In den letzten drei Wochen gab es in der Hauptstadt Male mehrfach gewalttätige Auseinandersetzungen. Auslöser des Machtkampfes war die Verhaftung des Gerichtspräsidenten, den Nasheed als Marionette seines Vorgängers bezeichnet hatte. Der Mann hatte einen Oppositionspolitiker, dem die Regierung Verleumdung vorwarf, aus der Haft entlassen. Nach Nasheeds Rücktritt wurde der Gerichtspräsident freigelassen. Kritik an dem bisherigen Präsidenten gab es auch wegen hoher Jugendarbeitslosigkeit und einem Rückgang des Tourismus.
Die Anhänger des zurückgetretenen Präsidenten verdächtigten Gayoom, den Umsturz herbeigeführt zu haben. Ein Sprecher von Gayooms Fortschritts-Partei PPM sagte, der neue Präsident Waheed habe die Unterstützung der Opposition. "Die Demonstrationen der Opposition sind beendet und wir erwarten eine Normalisierung der Lage."
Kabinettssitzung unter Wasser
Internationale Aufmerksamkeit erregte Nasheed 2009 im Vorfeld der Weltklimakonferenz in Kopenhagen, als er eine Sitzung seines Kabinetts unter Wasser leitete. Die Malediven bestehen aus 1192 Inseln, die zum größten Teil nicht mehr als einen Meter aus dem Meer ragen - die höchste Erhebung liegt keine zweieinhalb Meter über dem Meeresspiegel. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels ist es eine Frage der Zeit, bis die Malediven nicht mehr das Paradies sein werden, als das sie bei Urlaubern gelten. Im Jahr 2008 erklärte der gelernte Ozeanograph Nasheed, seine Regierung plane den Erwerb von Land, um die Bevölkerung seines untergehenden Staates umzusiedeln.
AA rät von Besuchen der Hauptinsel ab
Das Auswärtige Amt in Berlin aktualisierte nach dem politischen Umsturz seinen Reisehinweis und rät von Besuchen der Hauptinsel Male ab. Infolge einer "akuten politischen Krise" gebe es in Male zum Teil gewalttätige Demonstrationen, heißt es in der aktualisierten Fassung der Reisehinweise.
Der Deutsche Reiseverband erklärte, die meisten Malediven-Urlauber gelangten über die Flughafeninsel Hulule direkt auf ihre jeweiligen Urlaubsinseln und kämen daher in der Regel "mit der Hauptinsel nicht in Berührung". Eine Sprecherin des Tourismusministeriums sagte: "Wir können versichern, dass die derzeitigen Probleme auf den Malediven keinerlei Auswirkung auf Touristen haben werden." Der größte europäische Reisekonzern Tui teilte mit, nur Shopping-Ausflüge nach Male seien vorsorglich ausgesetzt worden.
Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa/rts