Politik

Schnellere Ost-Erweiterung Prag macht Druck

Die Regierung Tschechiens will nach der Übernahme des EU-Ratsvorsitzes zum Jahreswechsel den Beitritt der Balkanstaaten in die Europäische Union vorantreiben. Zumindest Kroatien solle unabhängig von der Ratifizierung des EU-Reformvertrags von Lissabon "schon vorher reingelassen werden", sagte der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg in Brüssel. Schwarzenberg, der am 1. Januar den Vorsitz des EU-Außenministerrates übernimmt, stellte sich damit gegen Deutschland und Frankreich. Berlin und Paris wollen erst dann neuen Beitritten zustimmen, wenn der Lissabon-Vertrag ratifiziert ist.

Schwarzenberg kritisierte Russland, das wegen des geplanten Baus einer US-Raketenabwehranlage in Tschechien und Polen mit der Stationierung von Iskander-Kurzstreckenraketen in Königsberg drohte. "Die Russen bilden sich noch immer ein, dass sie in Ländern, die einst zum Warschauer Pakt gehört haben, ein Einspruchsrecht haben", sagte der tschechische Außenminister. "Und dies ist ein Standpunkt, den wir nicht akzeptieren können. Da hört für uns der Spaß auf." Prag bestehe darauf, ebenso wie Dänemark oder Großbritannien eine US-Radaranlage zur Raketenabwehr haben zu dürfen. "Oder wozu haben wir eigentlich die Europäische Union, wenn es auch in der EU Privilegierte und Unterprivilegierte geben soll?"

Der künftige EU-Ratsvorsitzende sagte, sowohl die tschechische als auch die im zweiten Halbjahr folgende schwedische EU-Ratspräsidentschaft würden in Russland als "Moskau-skeptisch" betrachtet. Er könne sich vorstellen, dass Moskau "während unserer und der schwedischen Präsidentschaft" versuchen werde, "sozusagen einen Weg an den zwei Präsidentschaften vorbei zu den europäischen Institutionen zu finden, sich mehr zu konzentrieren auf die europäischen Großmächte". "Das ist durchaus vorstellbar. Wir werden sehen, wie erfolgreich sie (die Russen) damit sein werden. Aber irgendwann kommen sie um die EU-Präsidentschaft nicht ganz herum."



"OSZE-Gipfel vollendeter Wahnsinn"

Schwarzenberg sagte zur Ankündigung des derzeitigen EU-Ratspräsidenten und französischen EU-Präsidenten Nicolas Sarkozy, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) solle über Vorschläge des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew für eine "neue Sicherheitsarchitektur" bei einem Sondergipfel im Juni beraten: "Einen Sondergipfel der OSZE hielte ich für einen vollendeten Wahnsinn."

Sarkozy habe zu dieser Ankündigung beim EU-Russland-Gipfel vom 14. November in Nizza "bedauerlicherweise kein Mandat von der EU gehabt". Schwarzenberg: "Natürlich ist Sarkozy in der Begeisterung über die Begegnung mit dem russischen Präsidenten etwas überschwänglich geworden." Medwedews Vorschläge seien "eine wieder aufgekochte Suppe, die schon mindestens 30 bis 40 Jahre alt ist". Gleichwohl solle darüber "vielleicht mal eine interne Diskussion in der OSZE und in der NATO" geführt werden.

Tschechien wolle im EU-Ratsvorsitz "darauf beharren, dass der Erweiterungsprozess mit dem westlichen Balkan weitergehen soll". Er sei überzeugt, dass Kroatien im zweiten Halbjahr 2009 während der schwedischen Präsidentschaft "so weit ist": "Ich hoffe, dass die Kroaten, wenn sie ihre Hausaufgaben erfüllt haben, dann nicht unbedingt ins Wartestübchen gestellt werden, nur weil der Ratifizierung des Lissabon-Vertrags nicht erfolgt ist." Deutschland und Frankreich sowie Luxemburg haben erklärt, ohne Ratifizierung des Lissabon-Vertrags werde es keine Erweiterung mehr geben. Schwarzenberg sagte dazu: "Es mir unverständlich, dass manche meinen, dass man beruhigt mit Bomben unter dem eigenen Hintern leben kann. Die Situation auf dem Balkan ist so, dass es nie zu Frieden kommen kann, solange nicht die Grenzen irrelevant werden."

Quelle: ntv.de

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