Politik

Kein Vertrauen in Topolanek Prager Regierung gestürzt

Das tschechische Parlament hat Ministerpräsident Mirek Topolanek das Misstrauen ausgesprochen. 101 der in Prag anwesenden Abgeordneten stimmten für den Antrag der Opposition und erreichten damit die notwendige absolute Mehrheit. Laut Verfassung muss die Mitte-Rechts-Regierung von Topolanek nun ihren Rücktritt einreichen. Bis Staatspräsident Vaclav Klaus den Auftrag zur Regierungsbildung neu vergibt, bleibt das Kabinett geschäftsführend im Amt. Topolanek führt derzeit auch den tschechischen EU-Vorsitz.

Das Auswärtige Amt teilte am Abend mit, Berlin verfolge die Entwicklung in Tschechien sehr aufmerksam. "Wir gehen davon aus, dass die Handlungsfähigkeit des EU-Ratsvorsitzes sichergestellt wird", sagte ein Sprecher. EU-Kommission erklärte in Brüssel, sie sei zuversichtlich, dass Tschechien die Ratspräsidentschaft trotz des Sturzes der Regierung "effizient" weiterführen werde.

Hintergrund des Misstrauensantrags war die wachsende Unzufriedenheit mit Topolaneks Regierungsstil und der Vorwurf des Machtmissbrauchs.

Sorgen um EU-Vertrag

Der CDU-Europaabgeordnete und Experte für Außenpolitik, Elmar Brok, zeigte sich bestürzt über das Ende der tschechischen Regierung. Damit könnte der EU-Reformvertrag möglicherweise "beerdigt werden", sagte Brok. Der gestürzte Ministerpräsident Mirek Topolanek habe nun keine Möglichkeit mehr, auf den Senat einzuwirken, der den Vertrag im Herbst noch billigen muss.

Der Co-Vorsitzende der Grünen, Daniel Cohn-Bendit, äußerte sich ebenfalls besorgt über die Zukunft des EU-Reformvertrags. Der Ratifizierungsprozess sei nun "sehr geschwächt", sagte Cohn-Bendit. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz (SPD), forderte, mit der Ratifizierung des Lissabon-Vertrages fortzufahren.

Topolanek räumte nach der Schlappe im Fernsehsender CT24 ein, dass seine Position als EU-Ratspräsident bei Verhandlungen nun geschwächt sei. Am Montag hatte der Ministerpräsident angekündigt, im Fall des Scheiterns den Weg für Neuwahlen im Sommer frei zu machen. Zugleich hatte er eine Übergangsregierung vor dem Ende des tschechischen EU-Vorsitzes am 30. Juni kategorisch ausgeschlossen. Tschechien hatte zu Jahresbeginn den Vorsitz turnusgemäß von Frankreich übernommen.

Schwerwiegende Vorwürfe

Topolanek hatte kürzlich eingestanden, in einem mutmaßlichen Fall von Subventionsbetrug versucht zu haben, die Medienberichterstattung durch einen Mittelsmann zu beeinflussen. Jiri Paroubek, Vorsitzender der Sozialdemokraten und Oppositionsführer, sprach von "Mafiamethoden" des Regierungschefs.

Öffentlich ist Topolanek für sein bisweilen hemdsärmeliges Auftreten bekannt. So beschimpfte er etwa mehrfach Journalisten und zeigte politischen Gegnern im Parlament den "Stinkefinger". Auch Topolaneks Privatleben ist nicht unumstritten. Aus der bislang nicht geschiedenen Ehe mit Pavla Topolankova hat er drei Kinder, lebt aber mittlerweile mit der Politikerin Lucie Talmanova zusammen und wurde erneut Vater.

Quelle: ntv.de

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