Wahlkampf in Berlin Prestigeduelle der Prominenz
20.09.2009, 12:58 UhrShowdown: Berlin ist im Bundestagswahlkampf heiß umstritten. In mehreren Wahlkreise geht es nicht nur um Direktmandate, sondern auch um Gesichtswahrung für prominente Kandidaten.
Wawzyniak, Kandidatin der Linken, will mit "Mit Arsch in der Hose“ in den Bundestag ziehen.
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Mit Spannung wird der Ausgang der beiden Prestigeduelle erwartet. Im Ost-West-Szenebezirk Friedrichshain-Kreuzberg will der Alt-Linke Hans-Christian Ströbele das Kunststück vollbringen, zum dritten Mal das bundesweit einzige Grünen-Direktmandat zu erringen. Den 70-jährigen Ströbele, der nicht über die Landesliste abgesichert ist, in die politische Rente schicken möchte der 31-jährige SPD-Youngster Björn Böhning - Ex-Juso-Chef, Sprecher der SPD-Linken und Berater des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit. Das Direktmandat in Treptow-Köpenick soll der Linke Gregor Gysi (61) verlieren - jedenfalls, wenn es nach SPD-Wahlkampfmanager Kajo Wasserhövel geht. Der findet es an der Zeit, "dem flachen Populismus Gysis eine Absage zu erteilen".
Grünen-Politiker Ströbele will das Kunststück vollbringen und zum dritten Mal das bundesweit einzige Grünen-Direktmandat erringen.
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In Pankow muss SPD-Urgestein Wolfgang Thierse beweisen, dass er die Linke im Ostteil Berlins auch mit 65 Jahren noch besiegen kann. Sein Herausforderer ist erneut der langjährige und erst 36 Jahre alte Berliner Partei- und Fraktionsvorsitzende Stefan Liebich. 2005 wies ihn der damalige Bundestagspräsident Thierse mit 41,1 Prozent der Erststimmen klar in die Schranken (PDS: 24,3 Prozent). In Steglitz-Zehlendorf will es auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus-Uwe Benneter (62) noch einmal wissen. 2005 scheiterte der Freund von Ex-Kanzler Gerhard Schröder an 2337 Stimmen, die sein CDU-Konkurrent Klaus-Georg Wellmann in Front lag. Benneter zog über die Landesliste ein.
Größere Chancen für Kult-Politiker
Die Chancen der durchweg jüngeren Herausforderer gegen die angestammten Platzhirsche stehen eher schlecht. Gysi - der Volksliebling der Linken - ist seit 1990 eine sichere Bank für die Ex-PDS. Zunächst holte er dreimal das Direktmandat in Marzahn- Hellersdorf, bevor er sich 2000 aus der Bundespolitik zurückzog. Bei seinem Wiedereinzug 2005 - Seit an Seit mit Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine - errang Gysi auf Anhieb das Direktmandat im Südosten Berlins, das zuvor zwölf Jahre lang die SPD gehalten hatte.
Gysi soll sein Direktmandat in Treptow-Köpenick verlieren: das will SPD-Mann Wasserhövel.
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Sein eher spröder Gegner Kajo Wasserhövel ist zudem von der Ausstrahlung her das genaue Gegenteil des eloquenten und charmanten Linken. Bei den Wählern im Osten Berlins hat es der in der Öffentlichkeit kaum bekannte SPD-Politiker dementsprechend schwer. Zudem wurde der Vertraute von SPD-Chef Franz Müntefering der örtlichen Parteibasis von oben als Direktkandidat aufgedrückt. Der 47-jährige Soziologe kann so kaum auf echten Rückhalt in der Berliner SPD bauen.
Kampf um Aufmerksamkeit
Auch Böhning hat es schwer gegen den Kult-Status von Ströbele vor allem in Kreuzberg. Seine beiden Konkurrentinnen von der CDU, Vera Lengsfeld, und der Linken, Halina Wawzyniak, spielen keine Rolle. Sie suchten Aufmerksamkeit mit provokativen Plakaten: Die 57-jährige CDU-Politikerin präsentierte sich mit tiefem Dekollete, die 36 Jahre alte Linke mit einem straffen Hintern in Jeans - doch auch das erhöht ihre Wahlchancen nicht. Ex-Juso-Chef Böhning setzt vor allem auf junge Themen wie bessere Familien- und Bildungspolitik und kostenlosen drahtlosen W-LAN-Internetzugang für alle. Ströbele zollt er Respekt für dessen Lebensleistung als unermüdlicher Kämpfer für Frieden, Bürgerrechte und Ökostrom. Doch nun sei der Grüne auch verbraucht. "Die Menschen hier im Kiez fragen nicht nach der nächsten Anti-Kriegs-Demo, sondern nach Kita-Plätzen."
Doch da könnte sich der strategische Kopf in Wowereits Senatskanzlei getäuscht haben. Angesichts von immer mehr militärischen und zivilen Opfern gewinnt das Thema Afghanistan-Krieg zunehmend Brisanz. Ströbele ist zwar trotz seines sensationellen Erststimmen-Ergebnisses von 43,6 Prozent (2005) keineswegs siegessicher. "Doch ich rechne mir eine gute Chance aus. Sonst würde ich den kräftezehrenden Wahlkampf nicht noch einmal auf mich nehmen", sagt der Polit-Veteran. Ein Gerücht über ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Bundestag weist er zurück. "Wenn ich gewählt werde, bleibe ich auch eine volle Legislaturperiode im Bundestag."
Quelle: ntv.de, Kirsten Baukhage, dpa