Dalai Lama-Besuch Protest-Anruf aus Peking
16.05.2008, 08:33 UhrDer Besuch des Dalai Lamas in Deutschland sorgt für neue Spannungen zwischen Berlin und Peking. Die chinesische Regierung protestierte beim Auswärtigen Amt gegen ein Treffen des Tibeter-Oberhauptes mit Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Die chinesische Botschaft habe angerufen, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Weitere Protestnoten seien im Auswärtigen Amt bisher nicht eingegangen. Unterdessen setzte der Dalai Lama seinen Deutschland-Besuch in Nordrhein-Westfalen fort.
Das Gespräch mit der SPD-Politikerin Wieczorek-Zeul ist für Montag geplant. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Bundespräsident Horst Köhler lehnten ein Treffen mit dem Tibeter ab. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) befindet sich während des Besuchs auf einer Südamerikareise. Ihr Gespräch mit dem Dalai Lama im vergangenen September im Kanzleramt verärgerte Peking und sorgte für eine diplomatische Eiszeit.
Die Bundesregierung wies Berichte zurück, wonach Merkel den Bundespräsidenten von einem Treffen abhielt. Dies sei "absurd, abwegig und abenteuerlich", sagte Regierungssprecher Thomas Steg. "Die Entscheidung hat der Bundespräsident ganz allein getroffen." Ebenso wandte er sich gegen Spekulationen, Merkel habe das Treffen mit Wieczorek-Zeul arrangiert. Auch das Entwicklungsministerium betonte, die Ministerin mache ihre Termine allein. "Das Treffen war mit der Bundesregierung abgesprochen", sagte ein Sprecher.
"Es geht um die Ein-China-Politik"
Bereits am Morgen kritisierte die chinesische Botschaft das Verhalten deutscher Politiker. "Wir sind entschieden dagegen, dass der Dalai Lama von offiziellen Vertretern in Deutschland empfangen wird", sagte Botschaftssprecher Zhang Junhui in der ARD. "Weil wir der Meinung sind, dass der Dalai Lama trotz des von ihm behaupteten Unabhängigkeitsverzichts seinem Ziel, nämlich Unabhängigkeit Tibets, festhält." Es gehe ums Prinzip, sagte Zhang. "Es geht um die Ein-China-Politik, zu der sich auch die Bundesrepublik vor kurzem noch einmal bekannt hat."
Auf die Frage, ob es angesichts des Treffens mit deutschen Politikern zu einer neuen Eiszeit zwischen beiden Ländern kommen werde, antwortete der Botschaftsrat: "Natürlich werden wir mit der deutschen Seite darüber sprechen. Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf, die Ein-China-Politik strikt einzuhalten, damit eine stabile Entwicklung der bilateralen Beziehungen möglich bleibt."
Keine halbe Stunde für den Gast?
Unterdessen riss der politische Streit über den richtigen Umgang mit dem Dalai Lama nicht ab. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) kritisierte vor allem, dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) keine Zeit für eine Begegnung hat. "Vizekanzler Steinmeier hätte sich viele Unannehmlichkeiten sparen können, wenn er in seinem sehr engen Terminkalender dreißig Minuten für ein Gespräch mit dem Dalai Lama gefunden hätte", sagte Koch der "Passauer Neuen Presse".
"Jetzt hätte es Missverständnisse über die einheitliche Haltung der Bundesregierung zur Achtung der Menschenrechte geben können. Die chinesische Regierung könnte ein solches Signal falsch verstehen", kritisierte Koch, der mit dem Dalai Lama befreundet ist. Er begrüßte, dass sich nun Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) mit dem Dalai Lama treffen will. Die Proteste Pekings dagegen sowie Gespräche anderer deutscher Politiker mit dem Dalai Lama wies Koch zurück: "Ich hoffe, dass sich kein Bundestagsabgeordneter davon beeindrucken lässt. Der Bundestagspräsident hat dies ja mit aller Deutlichkeit zurückgewiesen. Die chinesische Diplomatie lebt hier noch in Ritualen des vergangenen Jahrhunderts."
Dalai Lama gegen volle Unabhängigkeit
Der Dalai Lama bekräftigte unterdessen seine Forderung nach mehr Autonomie für Tibet. "Wir wollen unsere eigene Kultur, Umwelt und Sprache bewahren können", sagte der Friedensnobelpreisträger in Bochum. Es gehe nicht an, dass inzwischen manche Tibeter die eigene Sprache nicht mehr beherrschten, weil die chinesischen Behörden ihnen keine Möglichkeit gäben, sie zu lernen.
Eine klare Absage erteilte der 72-Jährige Geistliche aber Forderungen nach der Unabhängigkeit Tibets. Das Land könne gewinnen, mit China verbunden zu bleiben. Denn so könne Tibet vom wirtschaftlichen Aufschwung des Riesenreiches profitieren, sagte der Dalai Lama. In Bochum traf er sich auch mit Kindergartenkindern.
In Bochum demonstrierten rund 300 Mönche und Laien der tibetischen Shugden-Sekte mit Rufen wie "Dalai Lama gib Religionsfreiheit" und Transparenten gegen den Dalai Lama. Die Demonstranten werfen ihm vor, Shugden-Anhänger zu diskriminieren und zu verfolgen.
Quelle: ntv.de