Politik

"Ich habe vor nichts mehr Angst" Pussy-Riot-Mitglieder aus Haft entlassen

Maria Aljochina kurz nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis.

Maria Aljochina kurz nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis.

(Foto: AP)

Mit Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina werden die beiden noch inhaftierten Mitglieder der Band Pussy Riot aus der Haft entlassen. "Russland ohne Putin", ruft Tolokonnikowa. Aljochina bezeichnet die Amnestie als "PR-Trick".

Tolokonnikowa bei ihrer Freilassung.

Tolokonnikowa bei ihrer Freilassung.

(Foto: REUTERS)

Nach fast zwei Jahren hinter Gittern ist auch die russische Pussy-Riot-Aktivistin Nadeschda Tolokonnikowa frei. Zuvor hatte ihre Mitstreiterin Maria Aljochina das Gefängnis in Nischni Nowgorod verlassen und sich auf den Weg nach Krasnojarsk gemacht, wo Tolokonnikowa die letzten Monate ihrer Haft verbrachte.

"Hurra", schrieb Tolokonnikowas Ehemann Pjotr Wersilow bei Twitter. Er hatte vor dem Gefängnis auf die Freilassung gewartet. Zudem veröffentlichte er ein Bild, wie die 24-Jährige schon bei Dunkelheit ins Scheinwerferlicht der Medien tritt. Tolokonnikowa saß ihre Haftstrafe im 4400 Kilometer von Moskau entfernten Krasnojarsk in Ostsibirien ab. "Russland ohne Putin" rief sie in die Kameras.

"Russland ist nach dem Modell einer Strafkolonie aufgebaut", sagte sie weiter. "Straflager und Gefängnisse sind das Gesicht des Landes." Um das Land zu verändern, müsse auch das Strafvollzugssytem geändert werden. Tolokonnikowa kündigte an, sich künftig vor allem für die Rechte von Gefangenen einsetzen zu wollen.

 

Ermöglicht wurde ihre Freilassung durch ein Amnestiegesetz, das Aljochina am Morgen als "PR-Trick" bezeichnete. Sie war im Februar 2012 zusammen mit Tolokonnikowa und Jekaterina Samuzewitsch nach einer Protestaktion gegen den heutigen russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale festgenommen und wegen "Rowdytums" zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Samuzewitsch kam bereits 2012 auf Bewährung frei.

"Das ist kein humanitärer Akt"

Tolokonnikowa (r.) und Aljochina während des Prozesses.

Tolokonnikowa (r.) und Aljochina während des Prozesses.

(Foto: dpa)

Aljochina wurde am Morgen aus der Haftanstalt entlassen worden, sagte eine Sprecherin der Strafvollzugsbehörden in Nischni Nowgorod rund 450 Kilometer östlich von Moskau. Die Aktivistin verließ das Straflager nach Angaben ihrer Anwältin Irina Chrunowa in einem schwarzen Wagen der Gefängnisverwaltung - offenbar um sie an den vor den Gefängnistoren wartenden Reportern vorbeizuschleusen.

Am Bahnhof von Nischni Nowgorod stieg Aljochina aus. Von dort aus ging sie zum örtlichen Büro einer Menschenrechtsorganisation, wo sie telefonierte und erste Interviews gab. "Das ist kein humanitärer Akt", sagte sie dem Sender Doschd mit Blick auf das Amnestiegesetz, von dem sie profitierte. Wenn sie eine Wahl gehabt hätte, die Amnestie abzulehnen, hätte sie das getan, sagte Aljochina.

Aljochina sollte planmäßig im März kommenden Jahres aus der Haft entlassen werden. Den Weg für ihre vorzeitige Freilassung ebnete ein am Donnerstag vom russischen Parlament verabschiedetes Amnestiegesetz, unter das Häftlinge fallen, die zu weniger als fünf Jahren Haft verurteilt wurden. Erwähnt werden insbesondere Frauen mit minderjährigen Kindern und wegen Rowdytums Verurteilte. Aljochina und Tolokonnikowa haben beide je ein kleines Kind.

Das sogenannte Punk Gebet, das die Mitglieder von Pussy Riot ins Gefängnis gebracht hatte.

Das sogenannte Punk Gebet, das die Mitglieder von Pussy Riot ins Gefängnis gebracht hatte.

(Foto: dpa)

Aljochina kündigte an, dass sie sich künftig für Menschenrechte und die Rechte ihrer ehemaligen Mithäftlinge stark machen wolle. "Das härteste im Gefängnis war zu sehen, wie die Menschen einfach aufgeben", sagte sie. "Glauben Sie mir, ich habe vor nichts mehr Angst." Während ihrer Freilassung habe sie "unter Schock" gestanden. Die Anstaltsleitung habe sie vermutlich klammheimlich aus dem Gefängnis geschafft, um "lautstarke Abschiedsgrüße" ihrer Mitgefangenen zu vermeiden. Nach Angaben ihres Anwalts Pjotr Saikin wollte Alechina später nach Moskau reisen, um ihre Familie zu treffen. Die dritte Pussy-Riot-Aktivistin Samuzewitsch sagte dem Sender Doschd, sie sei "wirklich glücklich", dass Aljochina frei sei.

"Von Gnade kann man da wahrlich nicht reden"

Der Grünen-Europapolitiker Werner Schulz bezeichnete Aljochinas vorzeitige Haftentlassung im RBB als einen Witz. "Sie hätte nur noch drei Monate Haft gehabt. Von Gnade kann man da wahrlich nicht reden", sagte er. Dass die Frauen nun freikommen, stellen Beobachter in einen Zusammenhang mit den Olympischen Winterspielen, die am 7. Februar in Sotschi eröffnet werden. Mit einem Gnadenakt hatte Präsident Putin am Freitag auch seinen Erzfeind Michail Chodorkowski nach mehr als zehn Jahren Haft freigelassen. Der frühere Milliardär reiste nach Berlin aus.

Parallel zur Amnestie des Parlaments hatte Putin am Freitag den Regierungskritiker Michail Chodorkowski begnadigt, der sich inzwischen in Deutschland aufhält. Der 50-Jährige hatte am Sonntag angekündigt, er werde nicht in die Politik gehen, sondern sich für die Freilassung politischer Gefangener einsetzen.

Experten sehen die Amnestie zum 20. Jahrestag der russischen Verfassung als Versuch Putins, vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi Kritiker im Westen zu besänftigen. Es wird erwartet, dass die Amnestie auch verhindert, dass sich rund 30 wegen Rowdytums angeklagte Greenpeace-Aktivisten vor Gericht verantworten müssen. Sie hatten gegen Ölbohrungen in der Arktis demonstriert und sind gegen Kaution auf freiem Fuß. Menschenrechtlern zufolge dürften durch die Amnestie rund 1500 Häftlinge freikommen.

Quelle: ntv.de, mli/jga/AFP/dpa/rts

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