Schlussstrich ohne Klärung Quo vadis FDP?
10.06.2002, 00:00 UhrAuch nach Sitzungen der FDP-Führungsgremien scheint das Verhältnis der Liberalen zu ihrem Vize Jürgen Möllemann noch nicht geklärt. Parteichef Guido Westerwelle betonte zwar erneut, die FDP wolle einen Schlussstrich unter die Debatten der vergangenen Wochen ziehen. Möllemann jedoch weigerte sich nach Angaben von Teilnehmern an der Präsidiumssitzung, sich von seinen Attacken gegen prominente Altliberale zu distanzieren. Auch habe er keine Entschuldigung beim Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, angekündigt.
Möllemann werde seinen Streit mit den Altliberalen hinter verschlossenen Türen klären, deutete Westerwelle an. Die Beziehungen der FDP zum Zentralrat der Juden in Deutschland sollten bei einem Treffen am Dienstag bereinigt werden. Das Gespräch werde allerdings ohne Möllemann stattfinden.
Die FDP bleibe eine Partei der Mitte, betonte Westerwelle. Versuche der politischen Gegner, die Liberalen "in die rechte Ecke zu schieben", würden nicht gelingen. Das "Projekt 18" sei realistisch und werde weiter verfolgt, sagte der FDP-Chef.
Kritik aus eigenen Reihen hält an
FDP-Vize Rainer Brüderle erneuerte unterdessen seine Kritik an Möllemann. Der Antisemitismus-Streit habe der Partei im Bundestagswahlkampf geschadet, erklärte Brüderle im DeutschlandRadio Berlin. In ihrem Ziel, 18 Prozent der Stimmen zu erreichen, seien die Liberalen zurückgeworfen worden. Möllemanns Stil und seine Wortwahl - er hatte die Altliberalen Hildegard Hamm-Brücher und Gerhart Baum als "Querulanten" bezeichnet - seien nicht in Ordnung gewesen, sagte Brüderle. Bei der heutigen Beratung müsse "ein Gewitter erfolgen, eine Aussprache" - und anschließend Geschlossenheit demonstriert werden.
Auch Generalsekretärin Cornelia Pieper kritisierte Möllemann ein weiteres Mal: "Was wir nicht brauchen, sind Eigentore", sagte sie der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". Möllemanns abenteuerliche Aussagen seien nicht hilfreich gewesen, um Guido Westerwelle als Kanzlerkandidaten zu profilieren.
Wirbel um neue Äußerung
Eine angebliche Äußerung Möllemanns vom Wochenende sorgte erneut für Wirbel. "Kein Christ und kein Moslem in einer Position wie Friedman würde eine solche Sendung im Fernsehen bekommen", zitierte die "Berliner Zeitung" den FDP-Vize. In der Talkshow "Vorsicht Friedman" in der ARD interviewt der stellvertretende Zentralrats-Vorsitzende regelmäßig Gäste aus Politik und Gesellschaft. Möllemann dementierte das Zitat. "Die Äußerung ist nicht gefallen", sondern sei frei erfunden, sagte Möllemann. Die "Berliner Zeitung" hingegen blieb bei ihrer Darstellung.
Zuvor hatte Grünen-Spitzenkandidat Joschka Fischer die angebliche Bemerkung mit den Worten kommentiert: "Es geht gerade so weiter." Westerwelle wollte keine Stellung dazu beziehen. Das angebliche Zitat sei "von gestern" und falle damit unter den beschlossenen Schlussstrich.
Quelle: ntv.de