Politik

"Angriff auf jüdisches Leben" Rabbiner empört über Urteil

Das Beschneidungsurteil von Köln sorgt weiter für Aufregung. Der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner sieht den "vielleicht gravierendsten Angriff auf jüdisches Leben in Europa nach dem Holocaust". In Israel muss der deutsche Botschafter die Gerichtsentscheidung erklären und wiegelt ab: Es handele sich um eine "Einzelfallentscheidung".

Vor einer jüdischen Beschneidungszeremonie für einen acht Tage alten Jungen in Budapest.

Vor einer jüdischen Beschneidungszeremonie für einen acht Tage alten Jungen in Budapest.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Proteste gegen das Kölner Beschneidungsurteil reißen nicht ab. Die Konferenz Europäischer Rabbiner will an diesem Dienstag und Mittwoch auf einer Dringlichkeitssitzung in Berlin über Schritte gegen das Urteil beraten. "Es handelt sich um den vielleicht gravierendsten Angriff auf jüdisches Leben in Europa nach dem ", erklärte der Präsident der Konferenz, der Moskauer Rabbiner Pinchas Goldschmidt.

Das Urteil habe die Bedeutung der Beschneidung von Knaben für Glauben und Identität der Juden gründlich missachtet. Er sei sich sicher, dass die Entscheidung keinen Bestand haben werde, erklärte Goldschmidt. Eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums sagte auf Anfrage, das Urteil werde in ihrem Haus "intensiv geprüft".

Botschafter erläutert Urteil

Unterdessen erläuterte der deutsche Botschafter in Israel das umstrittene Urteil im Parlament in Jerusalem. Andreas Michaelis übergab dem Knessetpräsidenten Reuven Rivlin auch ein erklärendes Schreiben. "Das Urteil ist eine Einzelfallentscheidung, die keine bindende Wirkung für andere Gerichte entfaltet", hieß es unter anderem in dem Brief, den die deutsche Botschaft auf ihrer Webseite veröffentlichte.

Es sei selbstverständlich, dass die deutsche Regierung die Unabhängigkeit der Justiz achte. Gleichzeitig betonte Michaelis, die Ausübung der Religionsfreiheit sei in der Bundesrepublik ein verfassungsrechtlicher Grundsatz. "Dieser gilt für das Judentum, den Islam und andere Religionsgemeinschaften gleichermaßen."

Das Landgericht Köln atte die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen als Körperverletzung bewertet. Jüdische und muslimische Verbände sowie die Kirche kritisierten das Urteil scharf als Eingriff in die Religionsfreiheit. Auch in Israel stieß die Gerichtsentscheidung auf Unverständnis und löste Irritationen aus.

Der deutsche Botschafter schrieb in seinem Brief, das Urteil wende sich im Ergebnis von der in Deutschland herrschenden Rechtsauffassung zur Beschneidung ab. Diese sei "seit sechzig Jahren gesellschaftlich und juristisch als einwilligungsfähiger ärztlicher Heileingriff akzeptiert". Die Kölner Entscheidung bedeute auch nicht, "dass andere Gerichte genauso entscheiden würden". Außerdem sei der beschuldigte Arzt in beiden Instanzen freigesprochen worden.

Die Grünen-Parlamentarier Renate Künast und Volker Beck forderten indes für die in Deutschland lebenden Juden und Muslime gefordert. In einem Beitrag für die "Berliner Zeitung" plädierten sie in der Debatte für eine "differenzierte Betrachtung".

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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