Politik

Szenarien vor Wahl in Thüringen Ramelow verzichtet auf die CDU-Rebellen

Ramelow zeigt sich vor der Abstimmung selbstbewusst - wie schon vor vier Wochen.

Ramelow zeigt sich vor der Abstimmung selbstbewusst - wie schon vor vier Wochen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Wohl nie zuvor hat die Republik derart gespannt auf den Erfurter Landtag geblickt wie an diesem Mittwoch. Nach einer beispiellosen Regierungskrise im Freistaat Thüringen soll mit der Wahl eines neuen Ministerpräsidenten wieder Normalität einkehren zwischen Werra und Saale. Dass die Regierungskrise an diesem Mittwoch wirklich endet, ist nicht gewiss. Bodo Ramelow zumindest will sich nicht auf die CDU verlassen.

Wer tritt an?
Wie schon bei den drei Wahlgängen am 5. Februar bietet sich der Linke-Politiker Bodo Ramelow als Regierungschef an. Er hatte den Job schon bis zu seiner Abwahl vor vier Wochen inne. Ramelow findet, das habe er bis dahin super gemacht und auch die Mehrheit der Thüringer Wähler bekundet in Umfragen immer wieder, dass sie den Niedersachsen Ramelow gerne als Landesvater behalten würde.

Ebenfalls rechtzeitig und damit formal korrekt zur Wahl gemeldet hat sich Björn Höcke. Der Chef der Thüringer AfD, der Landtagsfraktion sowie der AfD-Rechtsaußengruppierung "Flügel" beerbt mit seiner Kandidatur Christoph Kindervater - der Mann, der bei der Abstimmung im Februar als Parteiloser für die AfD angetreten war und sich im entscheidenden dritten Wahlgang als Pseudokandidat präsentiert hatte, wohl wissend, dass die AfD geschlossen den FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich wählen würde.

Was passiert im ersten Wahlgang?
Wie auch schon vor vier Wochen haben die Fraktionen, die eine Regierung mit Ramelow an der Spitze bilden wollen, keine eigene Mehrheit. Lediglich 42 der 90 Landtagssitzen entfallen auf Rot-Rot-Grün. Ramelow will dennoch erneut ins Risiko gehen und es darauf ankommen lassen.

Immerhin hatte er Hoffnung, diesmal die zur absoluten Mehrheit fehlenden vier Stimmen aus der CDU im ersten Wahlgang zu bekommen. Er führte dafür Einzelgespräche mit Christdemokraten. Am Dienstagabend rückte er von dem Plan ab. Ich habe mich gestern mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Mario Voigt ausgetauscht und ihm mitgeteilt, dass ich erforderlichenfalls in allen drei Wahlgängen antreten werde", erklärte Ramelow.

Verständlich: Aus der CDU-Fraktion selbst kamen nur nebulöse Andeutungen, dass eine Wahl Ramelows im ersten Wahlgang "möglich" sei. Allerdings verbietet ein CDU-Parteitagsbeschluss von 2018 eine Zusammenarbeit mit der Linken - und damit faktisch auch eine Wahl Ramelows. Weil die Abstimmung im Geheimen stattfindet, könnten vier heimliche Rebellen dennoch für Ramelow stimmen, so die Hängepartie beenden und sich niemals öffentlich dazu bekennen, damit der Parteitagsbeschluss offiziell gewahrt bleibt.

Wer zieht am Mittwochabend in der Erfurter Staatskanzlei ein?

Wer zieht am Mittwochabend in der Erfurter Staatskanzlei ein?

(Foto: picture alliance/dpa)

Hält sich die CDU an eine geheime Absprache?
Das ist die große Frage. Nach außen dementiert die Fraktion ein konzertiertes Vorgehen und geheime Absprachen mit Rot-Rot-Grün. Das wäre ja auch grundlegender Bestandteil einer solchen Aktion. Glaubwürdig werden diese Dementis dadurch, dass sich die gespaltene Thüringer Fraktion zuletzt als unfähig erwiesen hatte, gemeinsam nach Plan zu handeln. Im Zuge der Krise wurde zwar Fraktionschef Mike Mohring durch seinen ewigen Rivalen Mario Voigt ersetzt, befriedet ist die Fraktion damit aber noch nicht. Bei Voigts Wahl enthielten sich 3 der 21 CDU-Fraktionsmitglieder, 3 weitere stimmten gegen ihn.

Jedoch wäre die mit Vertretern von Rot-Rot-Grün besprochene Minderheitsregierung auf Zeit auch im Interesse der CDU. Sie will möglichst viel Zeit zwischen das Debakel der vergangenen Wochen und die nächste Landtagswahl bringen.

Was passiert, wenn Ramelow im ersten Durchgang durchfällt?
Im ersten wie im zweiten Wahldurchgang braucht Ramelow eine absolute Mehrheit von 46 Stimmen. Die Linke hatte wiederholt erklärt, sie wolle Ramelow im ersten Wahlgang durchbekommen oder Neuwahlen herbeiführen. Einer Selbstauflösung müssten aber 60 Abgeordnete zustimmen. Wollen Linke, SPD und Grüne hierfür nicht auf die AfD angewiesen sein, bräuchten sie die Stimmen der CDU.

Die Christdemokraten haben sich aber in den vergangenen vier Wochen einer raschen Neuwahl beharrlich verweigert. Bei Neuwahlen sagen Umfragen harsche Verluste voraus. Die Fraktion könnte auf die Hälfte zusammenschrumpfen, wenn sie einer Selbstauflösung zustimmt. Abgeordnete, die 2014 gewählt worden sind, könnten an der finanziell attraktiven Altersentschädigung - eine Art Zusatzrente für Parlamentarier - knapp vorbeischrammen, weil die Frist von sechs Jahren Parlamentsmitgliedschaft noch nicht abgelaufen ist.

Kommt es zu einem dritten Wahlgang?
Danach sieht es nun aus. "Heute ist nicht der Tag parteipolitischer Prinzipienreiterei, sondern der erste Tag, an dem wieder verlässlich regiert werden kann in Thüringen", schreibt Ramelow auf seiner Seite.  Er werde deshalb die CDU'ler heute um konsequente Stimmenenthaltung bitten.

Sollte sich die CDU anders als vor vier Wochen diesmal dazu durchringen, sich in allen drei Wahlgängen geschlossen zu enthalten, wäre im dritten Wahlgang Ramelows Wahl mit einfacher Mehrheit von 42 Stimmen sicher. Möglich, dass sich Linke, SPD und Grüne am Ende doch auf dieses Szenario einlassen. Den Vorschlag des JU-Chefs Tilman Kuban, die CDU könne bei der Wahl den Plenarsaal verlassen, hat die Thüringer CDU zurückgewiesen.

Was macht die FDP?
Die FDP macht genau das: Sie bleibt draußen. Damit will sie dokumentieren, dass sie die zur Wahl stehenden Kandidaten Höcke und Ramelow gleichermaßen ablehnt. Der Sprecher der Thüringer FDP-Fraktion, Thomas Philipp Reiter, argumentierte, dass die Stimmzettel keine Nein-Stimmen vorsähen. "Eine Enthaltung ist kein Nein", erklärte er. An den Mehrheitsverhältnissen ändert das nichts: Selbst wenn die CDU ebenfalls den Plenarsaal verlassen würde, wäre damit im dritten Wahlgang eine einfache Mehrheit für Ramelow sicher.

Was plant Höcke?
Der wegen seiner rechtsradikalen Positionen eine Zeit lang umstrittene Chef der Thüringer AfD sitzt fest im Sattel, erst recht seit seinem Coup vor vier Wochen, als er die übrigen Parteien vorführte. Schwer vorstellbar, dass die 21 übrigen AfD-Abgeordneten nicht für ihren Fraktionsvorsitzenden stimmen.

So kann die AfD ihrerseits dokumentieren, wie die CDU abstimmt. Bei 42 Stimmen für Ramelow, 22 für Höcke und 5 Abwesenden der FDP wären 21 Enthaltungen eindeutig der CDU zuzuordnen. Das machte - aus Sicht der AfD - deutlich, dass die CDU entgegen ihren Versprechungen Ramelow ins Amt verholfen hätte. Andererseits würde eine neue Grundsatz-Debatte entspinnen, käme Höcke auch auf nur eine Stimme mehr, als seine Fraktion ihm geben kann. Denn dann wäre es wahrscheinlich, dass ein CDU-Delegierter für den Thüringer AfD-Chef votiert hätte.

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