Politik

Das Kreuz ist weg - der Streit bleibt "Raubüberfall" in Warschau

2010-09-16T095157Z_01_WAR502_RTRMDNP_3_POLAND.JPG1527495151561334010.jpg

(Foto: REUTERS)

Das Kaczynski-Kreuz vor dem Warschauer Präsidentenpalast entschwindet heimlich in die Kapelle der Residenz - den Konflikt löst die Aktion aber nicht. Die Verteidiger des Holzkreuzes drohen mit der Aufstellung noch größerer Kreuze und wollen erst weichen, wenn der verunglückte Lech Kaczynski ein anderes "würdiges" Denkmal erhält. Natürlich vor dem Präsidentenpalast.

Nach wochenlangen Auseinandersetzungen um das Gedenkkreuz für den bei einem Flugzeugabsturz gestorbenen Präsidenten Lech Kaczynski hat dessen Nachfolger jetzt ein Machtwort gesprochen. Mitarbeiter der Präsidialkanzlei entfernten heimlich das rund vier Meter hohe Holzkreuz vom Vorplatz des Amtssitzes von Präsident Bronislaw Komorowski. Verlegt wurde das Kultobjekt in die Kapelle des Präsidentenpalastes, informierte kurz darauf Präsidialkanzleichef Jacek Michalowski die verblüfften Journalisten.

Ein Kreuz als Geisel

Das Kreuz des Anstoßes steht nun in der Kapelle des Präsidentenpalastes.

Das Kreuz des Anstoßes steht nun in der Kapelle des Präsidentenpalastes.

(Foto: AP)

"Das Kreuz ist zur Geisel politischer Machenschaften und der Weltanschauungskämpfe geworden", so der enge Vertraute von Komorowski. Darunter habe die Autorität des Staates und der Kirche gelitten. "Besser spät als überhaupt nicht", äußerte sich aus Brüssel Regierungschef Donald Tusk und lobte die "gute und erwartete Entscheidung". Auch die katholische Kirche signalisierte Zustimmung.

Für die Verteidiger des Kreuzes war diese Aktion eine "Schande" und ein "Raubüberfall" am helllichten Tag - wie in der Zeit der kommunistischen Diktatur. Sie hatten Anfang August den ersten Versuch einer Räumung durch die Ordnungskräfte vereitelt und bewachten seitdem das Kreuz Tag und Nacht. Die Behörden mussten Sperren errichten, um sie vom Gelände der Residenz fernzuhalten. Die meist älteren erzkatholischen "Kreuz-Verteidiger" forderten die Errichtung eines "würdigen" Denkmals für Lech Kaczynski an dieser Stelle. Erst dann wollen sie ihren Protest beenden. Sie kündigten inzwischen die Aufstellung neuer, bis zu zehn Meter großen Kreuze an.

Lech Kaczynski, seine Ehefrau Maria und 94 weitere prominente Politiker, Militärs und Geistliche waren am 10. April beim Absturz ihres Flugzeugs in Russland ums Leben gekommen. Kurz darauf stellten Pfadfinder das hölzerne Kreuz als Zeichen der Trauer vor dem Präsidentenpalast in Warschau auf. Hunderttausende, die dem Politiker die letzte Ehre erweisen wollten, beteten dort, legten Blumen nieder und zündeten Kerzen an.

Demonstrationen gegen die Regierung

Polens erzkonservative geben nicht auf.

Polens erzkonservative geben nicht auf.

(Foto: AP)

Der Zwillingsbruder des Toten, Jaroslaw Kaczynski, und seine Anhänger nutzten den Ort aber auch für Demonstrationen gegen das Anfang Juli gewählte liberal-konservative Staatsoberhaupt Komorowski. Jaroslaw Kaczynski warf Tusk und Komorowski wiederholt vor, moralisch und politisch am Tod seines Bruders schuldig zu sein. Die Warschauer Behörden mussten Sperren errichten, um die Residenz vor den Demonstranten zu schützen.

In der vergangenen Woche veranstalten die National-Konservativen dort einen Fackelzug. Ihn habe dieser Marsch an den Nationalsozialismus erinnert, warnte Komorowskis Berater, Tomasz Nalecz.

Gesellschaftspsychologe Janusz Czapinski befürchtet statt Entspannung eine Neuauflage des "polnisch-polnischen Krieges". Jaroslaw Kaczynski werde reagieren, diese Reaktion werde "schneller kommen als wir denken". Das Ende des Konflikts sei nicht in Sicht.

Quelle: ntv.de, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen