Politik

Nicht alle Blütenträume reifen Realität holt Schwarz-Gelb ein

Was tun ohne viel Geld? FDP-Finanzexperte Solms, Kanzlerin Merkel, FDP-Chef Westerwelle und FDP-Wirtschaftsexperte Brüderle (von links) während der Beratungen.

Was tun ohne viel Geld? FDP-Finanzexperte Solms, Kanzlerin Merkel, FDP-Chef Westerwelle und FDP-Wirtschaftsexperte Brüderle (von links) während der Beratungen.

(Foto: AP)

Union und FDP haben sich in ihren Koalitionsverhandlungen noch nicht auf einen Pfad zu den im Wahlkampf angekündigten Steuerentlastungen von Bürgern und Unternehmen geeinigt. Die Gespräche würden in der kommenden Woche fortgesetzt, sagten die Verhandlungsführer von Union und FDP, Thomas de Maizière und Hermann-Otto Solms nach einer Sitzung der Finanzexperten beider Parteien in Berlin. Dabei sollen die ersten konkreten Entscheidungen fallen.

"Wir haben keine endgültigen Ergebnisse", sagte Solms nach der zweiten Verhandlungsrunde der Koalitionsarbeitsgruppe Steuern und Haushalt: "Wir sind ein gutes Stück vorangekommen." Kanzleramts-Chef de Maizière betonte, die Spielräume seien sehr eng. "Der Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte ist sehr hoch."

Nichts ist beschlossen

Endgültige Ergebnisse zu "Gestaltungsmöglichkeiten" werde es daher erst am Ende geben. "Ich sage das auch deswegen, weil alle möglichen Ankündigungen, dieses oder jenes sei bereits beschlossen, was Geld kostet, in keinem Fall stimmen", sagte de Maizière.

Es werde Steuersenkungen geben, nur der Umfang sei zwischen Union und FDP weiter strittig, betonte de Maizière. "Das wird am Ende entschieden." Die Finanz-Arbeitsgruppe von Union und FDP setzt am nächsten Montag ihre Beratungen fort.

Solms ergänzte, die Koalition wolle mit den Entlastungen auf mehr Wachstum und Beschäftigung setzen, wovon letztlich auch die Staatseinnahmen profitieren würden. Außerdem müsse das Steuerrecht einfacher und verlässlicher werden. Die Union hatte den Bürgern in der kommenden Wahlperiode Entlastungen im Umfang von rund 15 Milliarden Euro versprochen, die FDP sogar von 35 Milliarden Euro.

Die teils scharfen Vorgaben der Haushaltsexperten für die Gespräche von Union und FDP seien in der "großen Koalitionsrunde" zur Kenntnis genommen. "Sie wurden auch als Mahnung an alle Arbeitsgruppen weiter gegeben", sagte de Maizière. "Die eine oder andere Formulierung wurde als zu streng empfunden." Sie hätten aber ihre didaktische und politische Wirkung gehabt, auch wenn sie nicht förmlich beschlossen worden seien.

Kassensturz zeigt Grenzen auf

Den Plänen der künftigen Regierungskoalition sind aufgrund massiver Sparzwänge enge Grenzen gesetzt, wie ein Kassensturz der Finanzexperten beider Seiten ergab.

Allein die neue Schuldenbremse im Grundgesetz verursacht demnach bis Ende der neuen Legislaturperiode 2013 eine Finanzlücke zwischen 29 Milliarden und 34,4 Milliarden Euro. Dies geht aus dem Finanztableau der künftigen Koalition hervor, das Grundlage für die weiteren Beschlüsse von Union und FDP ist. Die "Fünf Wirtschaftsweisen" warnten deshalb vor Steuersenkungen, die mit neuen Schulden finanziert werden.

Steuerentlastungen, Bildungsinvestitionen und Haushaltssanierung

Angesichts der Finanznot einigten sich CDU/CSU und FDP auf drei Schwerpunkte: Steuerentlastungen, Bildungsinvestitionen und Haushaltssanierung. Hinter dieser Prioritätensetzung sollen alle anderen Ausgabenwünsche zurückstehen. Sie können voraussichtlich nur mit Kürzungen an anderer Stelle finanziert werden. Vorrang sollen mehr Kindergeld, höherer Kinderfreibetrag sowie Entlastungen bei der Einkommensteuer, der Unternehmensteuer und der Erbschaftsteuer haben. Die Unterhändler von Union und FDP würden schon gern 2010 zusätzliche Entlastungen gewähren.

Ziel sei neben der Erhöhung des Kinderfreibetrags auf 8004 Euro (bisher 6024 Euro), das Kindergeld auf bis zu 200 Euro für das erste und 220 Euro für das zweite Kind zu erhöhen. Konkrete Entscheidungen über Umfang und Zeitpunkt seien aber noch nicht gefallen, berichteten Politiker von Union und FDP.

"Das Zahlenwerk ist jetzt klar. Über die unterschiedlichen Vorschläge für Entlastungen muss nun diskutiert werden", sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). Aus Unionskreisen verlautete, die FDP habe erkennen müssen, dass sie von ihren weitergehenden Forderungen bei Steuerentlastungen Abstand nehmen müsse. Allein die ins Auge gefasste Entlastung von Familien mit Kindern würde den Staat schon 2010 rund zehn Milliarden Euro zusätzlich kosten.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel betonte nach der großen Verhandlungsrunde dennoch: "Es gibt den Spielraum für die notwendigen Steuersenkungen." FDP-Finanz-Verhandlungsführer Solms äußerte sich zurückhaltender: "Der Finanzstatus ist entsetzlich. Die Regierung hinterlässt uns einen finanzpolitischen Scherbenhaufen." Markenzeichen der künftigen schwarz-gelben Koalition soll der Dreiklang "Entlastung, Konsolidierung, Zukunftsinvestitionen" werden, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt.

Acht goldene Finanzregeln

Eine strikte Haushaltsführung würden die Finanzexperten von Union und FDP gern mit acht goldenen Finanzregeln sicherstellen. Wichtigster Punkt ist die Vorgabe, den Ausgabenzuwachs stets unterhalb des Zuwachses des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu halten. Diese Regeln allerdings wurden in der großen Runde der 27 Unterhändler von Union und FDP nicht beschlossen. Es habe zum Teil Einwände gegen die strikten Vorgaben gegeben.

Das Finanztableau von Union und FDP errechnet auf Basis der aktuellen Wirtschaftsprognose zusätzliche Schulden bis 2013 von insgesamt 297 Milliarden Euro. Allerdings verlangt die ab 2011 wirksame neue Schuldengrenze im Grundgesetz eine Verringerung um 34,4 Milliarden Euro. Leicht mildern könnte die Finanznot die voraussichtlich schneller wieder anspringende Konjunktur.

Union und FDP schätzen den Konjunktureinbruch in diesem Jahr nur noch auf 5,0 Prozent (bisher 6,0 Prozent). Für 2010 wird ein Wachstum von 1,25 Prozent statt bisher 0,5 Prozent erwartet. Dies verringert die Lücke im Finanzplan von Schwarz-Gelb aber nur um knapp sechs Milliarden Euro: Es bliebe eine Lücke von 29 Milliarden Euro.

Wirtschaftsweise fordern Vorrang für Haushaltssanierung

Finanzexperten kritisierten deshalb die Pläne der künftigen Koalition. Die "Fünf Wirtschaftsweisen" forderten angesichts der mit der Wirtschaftskrise in die Höhe geschnellten Verschuldung Vorrang für die Haushaltssanierung und sehen kaum Spielraum für Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung. Die Steuerentlastungen führten nicht zu soviel Wachstum, dass sie sich selbst finanzierten. Der Sachverständigenrat forderte stattdessen Kürzungen bei den Ausgaben und zum Ende der Legislaturperiode auch Steuererhöhungen. Dies schließen Union und FDP bislang aus.

"Die künftige Regierung hat sich von jedem Ziel verabschiedet, die Schuldenlast zu reduzieren", kritisierte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). "Das kann mittelfristig die Handlungsfähigkeit der Regierung erdrücken", sagte DIW-Chef Klaus Zimmermann.

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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