Politik

Gewalt im Ostkongo Rebellen rufen Waffenruhe aus

Die Rebellen im Osten Kongos haben nach einem Vorstoß auf die Provinzhauptstadt Goma nach eigenen Angaben einen Waffenstillstand ausgerufen. Vor der Erklärung drohte der Vormarsch der Tutsi-Rebellen des abtrünnigen Generals Laurent Nkunda, die 17.000 Soldaten der UN-Friedenstruppe Monuc zu überwältigen.

Zuvor hatten die Truppen die Provinzhauptstadt erreicht, wie eine Sprecherin der Hilfsorganisation World Vision berichtete. In der Stadt werde heftig gekämpft, Schüsse seien zu hören. Die Regierungstruppen hatten Goma offenbar aufgegeben.

Panik in Goma

Nach ersten Kämpfen in der Stadt rief Nkunda einen einseitigen Waffenstillstand in der ostkongolesischen Region Nord Kivu aus, wie er dem Sender BBC erklärte. "Wir sind nicht weit von Goma", fügte er hinzu. Er forderte die Regierungstruppen auf, seinem Beispiel zu folgen und die Kampfhandlungen einzustellen.

In Goma selbst herrschte allgemeine Panik, wie Augenzeugen berichteten. Alle versuchten, Goma so schnell wie möglich zu verlassen. Die UN forderten alle Hilfsorganisationen auf, ihr Personal unverzüglich aus Goma abzuziehen. Gomas ist für UN und Hilfsorganisationen der wichtigste Standort zur Organisation von Hilfe für die bereits mehr als eine Million Flüchtlinge.

EU streitet um Militäreinsatz

Die EU diskutiert derweil dem französischen Außenminister Bernard Kouchner zufolge über die Entsendung einiger hundert Soldaten in den umkämpften Osten des Kongo. Mehrere Länder hätten die Idee aber abgelehnt, sagte Kouchner in Paris. Das Verteidigungsministerium und das Außenministerium in Berlin wollten sich dazu nicht äußern.

EU-Außenkommissar Javier Solana stellte sich gegen den französischen Vorschlag. "In diesem Stadium ist eine militärische Intervention durch die EU nicht Gegenstand der Diskussion", sagte seine Sprecherin in Brüssel. Derzeit hätten diplomatische Bemühungen absolute Priorität.

Ban "tief besorgt"

"Wir werden unsere Mitarbeiter nach Ruanda zurückziehen, sobald die Sicherheitslage das erlaubt" sagte Kevin Cook, Sprecher von World Vision in Nairobi. Mehrere Mitarbeiter befänden sich selbst im Strom der Flüchtlinge, denen sie zu helfen versuchten.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Konfliktparteien im Kongo zu einer sofortigen Feuerpause auf. Er sei "tief besorgt" über die Zahl der getöteten Zivilisten und wegen der vor den Kämpfen fliehenden Bevölkerung. "Die Situation in Goma ist besorgniserregend", sagte Ban in Manila. Die Vereinten Nationen kündigten für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats an.

Ban sagte, er habe Gespräche mit den Regierungen im Kongo und im benachbarten Ruanda sowie mit europäischen und afrikanischen Politikern geführt, um über eine Beilegung des Konflikts zu beraten. Auch Jean Ping, der Vorsitzende der Afrikanischen Union (AU), zeigte sich in einer in Addis Abeba herausgegebenen Stellungnahme besorgt über die Lage im Ostkongo.

UN-Truppen involviert

Die Rebellenarmee hatte seit Beginn ihrer Offensive am Wochenende mehrere Städte eingenommen und eine Massenflucht ausgelöst. Nach schweren Kämpfen in Rutshuru an der Grenze zu Uganda flohen tausende Kongolesen in das Nachbarland. Andere versuchten, wie schon in den vergangenen Tagen, zu Fuß nach Goma zu gelangen.

Der UN-Sonderbeauftragte Alan Doss sagte in einer Videokonferenz mit New York, die im Ostkongo stationierten Blauhelmsoldaten würden sich jedem Versuch von Rebellengeneral Laurent Nkunda widersetzen, eine Stadt oder ein Lager einzunehmen. "Wir haben das Mandat, das zu tun. Wir nutzen dieses Mandat und wir werden es weiter nutzen."

Am Montag hatten die UN-Friedenstruppen (Monuc) bereits in die Kämpfe mit den Rebellen eingegriffen. Nach Angaben eines Sprechers unterstützten die UN-Truppen die Regierungsarmee mit Kampfhelikoptern und gepanzerten Fahrzeugen. Zuvor hatten Demonstranten UN-Fahrzeuge mit Steinen beworfen und den Friedenshütern vorgeworfen, nicht genug für den Schutz der Zivilbevölkerung zu tun.

"Schutz von Zivilisten erste Priorität"

Doss wies diese Vorwürfe zurück. "Der Schutz von Zivilisten bleibt unsere erste Priorität, aber unsere Kapazitäten sind begrenzt", sagte er. Die seit 1999 im Kongo stationierte Blauhelmtruppe ist mit fast 17.000 Mann der größte Friedenseinsatz der Vereinten Nationen.

Im Januar war in Goma ein Friedensabkommen unterzeichnet worden, das von allen Konfliktparteien aber wiederholt gebrochen wurde. Nkunda begründet seinen Kampf mit dem Schutz der kongolesischen Tutsi. In der Region sind auch Hutu-Milizen aktiv, die nach dem Völkermord im benachbarten Ruanda 1994 in das damalige Zaire geflohen waren.

Bereits in den vergangenen Tagen war die Arbeit von Helfern zunehmend gefährlich geworden. So wurden am Dienstag Caritas-Mitarbeiter nach der Verteilung von Lebensmitteln in der Region Goma von Soldaten der Regierungstruppen ausgeraubt. Caritas International rief zu Spenden für die mehr als eine Million Flüchtlinge auf, die durch den Konflikt im Ostkongo entwurzelt wurden.

Forderung nach Verhandlungen

Allein seit dem Wiederaufflammen der Kämpfe Ende August flohen rund 250.000 Menschen. "Den Flüchtlingen fehlt es an allem, was zum Überleben nötig ist, vor allem Nahrung und Trinkwasser. Manche Flüchtlinge sind dem Hungertod nah", sagte die deutsche Caritas-Sprecherin Ursula Hartwig.

Solana zeigte sich "äußerst besorgt" über die Eskalation im Kongo. "Ich fordere alle Konfliktparteien und insbesondere die (Rebellenorganisation) CNDP zu größter Zurückhaltung auf", heißt es in einer Erklärung Solanas in Brüssel.

Deutschland rief die Konfliktparteien auf, die Waffen umgehend niederzulegen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Die Konflikte in der Region werden sich nur im Dialog lösen lassen", betonte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Quelle: ntv.de

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