Politik

Brüderle warnt vor Staatsbankrott Referendum irritiert Europa

Papandreou will sich die Unterstützung der Griechen holen.

Papandreou will sich die Unterstützung der Griechen holen.

(Foto: AP)

Dass Griechenlands Regierungschef Papandreou sein Volk über das Euro-Rettungspaket abstimmen lassen will, überrascht die Partner in Europa. Die Bundesregierung spricht von "klaren Erwartungen", Fraktionschef Brüderle warnt schon vor einem griechischen Staatsbankrott. Die Zukunft Griechenlands im Euro scheint auf dem Spiel zu stehen.

Die Bundesregierung ist vom Plan des griechischen Premierministers Giorgos Papandreou, ein Referendum über den harten Sanierungskurs abzuhalten, überrascht worden. Es handle sich dabei um eine "innenpolitische Entwicklung in Griechenland, über die der Bundesregierung bisher noch keine offiziellen Informationen vorliegen und die sie deswegen auch nicht kommentiert", teilte das Bundesfinanzministerium in Berlin mit.

Weiter hieß es, der Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurozone habe in der vergangenen Woche "klare Erwartungen" formuliert. "Demnach soll das zweite Hilfspaket für Griechenland bis Ende diesen Jahres stehen. Daran arbeiten wir alle zurzeit mit hoher Intensität."

Brüderle erwartet Staatsbankrott

Mit heftigen Protesten wehren sich die Griechen gegen die strengen Sparauflagen ihrer Regierung.

Mit heftigen Protesten wehren sich die Griechen gegen die strengen Sparauflagen ihrer Regierung.

(Foto: dpa)

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hat die Bundesregierung und die Europäer aufgefordert, sich nach der Ankündigung der Volksabstimmung gegen einen Staatsbankrott des Landes zu wappnen. Wenn das griechische Volk gegen die vereinbarten Auflagen, die die Gegenleistung für Hilfen sind, stimme, "dann wird es meines Erachtens zu einem Staatsbankrott kommen", sagte Brüderle im Deutschlandfunk. Dann hätten die Europäer kaum noch neue Möglichkeiten.

Brüderle zeigte sich "irritiert" von der Entscheidung des griechischen Ministerpräsidenten und sprach von einem "merkwürdigen" Verhalten. Es könne nicht sein, dass Griechenland nicht die eigene Misere bekämpfen wolle, aber auch auf großzügige Hilfen der Europäer hoffe. Mit Blick auf die deutsche Regierung sagte Brüderle, diese müsse immer einen Plan B und C für Notfälle bereithaben. Man müsse sich, nicht nur in Deutschland, sondern auch bei der EU-Kommission und den anderen Euro-Ländern, darauf einstellen, welche Konsequenzen das Vorgehen Griechenlands habe.

"Das klingt danach, dass man irgendwie sich raus da rauswinden will aus dem, was man jetzt verhandelt hat". Lehne das griechische Volk die erzielten Vereinbarungen ab, sei der Punkt erreicht, "wo es dann kein Geld mehr gibt aus meinem Verständnis hinaus". Dann müsse es darum gehen, die Ansteckungsgefahren eines griechischen Staatsbankrotts zu bannen.

"Papandreou ist gefährlich"

Ministerpräsident Papandreou hatte am Montagabend überraschend eine Volksabstimmung über ein neues internationales Rettungspaket angekündigt und riskiert damit nun Neuwahlen. Der Regierungschef erklärte zudem, er wolle im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen, um sich die Unterstützung der Abgeordneten für die verbleibende Regierungszeit bis 2013 zu sichern. "Wir vertrauen den Bürgern. Wir glauben an ihr Urteilsvermögen. Wir glauben an ihre Entscheidung", sagte Papandreou vor Abgeordneten seiner sozialistischen Partei. "Der Willen des Volkes ist bindend."

Die Opposition reagierte mit scharfer Kritik. "Herr Papandreou ist gefährlich. Er schnippt die griechische EU-Mitgliedschaft wie eine Münze in die Luft", sagte ein Sprecher der konservativen Partei Neue Demokratie.   

Papandreou kündigte an, das Referendum werde in einigen Wochen abgehalten, wenn Einzelheiten des 130 Milliarden Euro schweren Rettungspakets bekannt seien. Die Hilfen wurden auf dem Euro-Gipfel in der vergangenen Woche beschlossen. Im Gegenzug soll die Regierung Sparmaßnahmen verabschieden. Zudem sollen private Gläubiger auf 50 Prozent ihrer Forderungen an Griechenland verzichten. Viele Details sind noch unklar. Finanzminister Evangelos Venizelos sagte, die Volksabstimmung werde sehr wahrscheinlich Anfang 2012 stattfinden.

Referendum rechtlich möglich?

Vertreter des Athener Parlamentes kündigten an, die Debatte über die Vertrauensfrage werde am Mittwoch beginnen. Abstimmen sollen die Abgeordneten am Donnerstag oder Freitag. Experten gehen davon aus, dass Papandreou trotz Widerstände in seiner Fraktion das Votum überstehen wird.

Nach der Erklärung Papandreous zweifelten mehrere Abgeordnete die Rechtmäßigkeit des Vorhabens an. Der Verfassung zufolge sind Referenden zu wirtschaftlichen Themen nicht gestattet, sondern nur bei Fragen von größter nationaler Bedeutung. Zum letzten Mal nahmen die Griechen im Dezember 1974 an einem Referendum teil. Nach dem Zusammenbruch der Militärdiktatur stimmten sie damals für die Abschaffung der Monarchie.

Viele Griechen lehnen die Sparpolitik ihrer Regierung ab. So versuchten Gewerkschaften mit Generalstreiks, die Verabschiedung entsprechender Gesetze zu verhindern. Die Regierung setzte bereits Kürzungen im öffentlichen Dienst und bei Renten sowie Steuererhöhungen durch. Die Reformschritte waren die Voraussetzung für die Auszahlung internationaler Kredite, ohne die Griechenland längst zahlungsunfähig wäre. In einer Umfrage hatten fast 60 Prozent der Griechen das neue Rettungspaket als negativ oder wahrscheinlich negativ bewertet.

Minister im Krankenhaus

Die Volksabstimmung könnte nach Einschätzung eines namhaften Wirtschaftsexperten das Ende der Mitgliedschaft des Landes in der Euro-Zone bedeuten. Der Präsident der European School of Management and Technology in Berlin, Jörg Rocholl, sprach im ZDF von einer "sehr überraschenden und auch sehr mutigen Entscheidung" von Ministerpräsident Giorgos Papandreou. "Denn wenn sie nicht gutgeht, und dafür spricht im Moment ja einiges, weil es Widerstände in der griechischen Bevölkerung gibt, könnte es sein, dass sich die anderen Staaten nicht mehr an ihre Versprechungen gehalten fühlen müssen". Sie könnten sich dann aus der Griechenland-Rettung zurückziehen. Das aber könnte dann bedeuten, "dass Griechenland nicht mehr im Euro bleiben könnte".

Derweil ist Finanzminister Evangelos Venizelos am Morgen mit Magenschmerzen in ein Krankenhaus gebracht worden. Venizelos werde voraussichtlich zur Untersuchung im Krankenhaus bleiben, berichtete der griechische Rundfunk.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts

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