Verbraucherrisiken Regierung darf warnen
30.07.2002, 15:04 UhrDie Bundesregierung darf öffentlich vor gefährlichen Produkten und anderen Risiken warnen. In zwei Grundsatzurteilen zum Glykolskandal aus dem Jahr 1985 und zu religiösen Vereinigungen stärkte das Bundesverfassungsgericht deutlich das Recht des Staates, Warnhinweise für die Verbraucher zu veröffentlichen.
Es gehöre zur Aufgabe des Staates, zum Beispiel auf Lebensmittelkrisen schnell und sachgerecht zu reagieren und den Menschen zur Orientierung zu verhelfen, heißt es in dem Beschluss. Allerdings müssten diese Informationen zutreffend und sachgerecht sein. Bislang waren solche staatlichen Verbraucherinformationen äußerst umstritten.
Ministerium begrüßt Karlsruher Entscheidung
Das Bundesverbraucherschutzministerium begrüßte die Karlsruher Entscheidung. Das sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, sagte Staatssekretär Alexander Müller (Grüne) in Berlin. "Aber ein weiterer muss folgen, und das ist das Verbraucherinformationsgesetz." Müller forderte die Union auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben "und im Interesse der Verbraucher für mehr Transparenz auf dem Markt einzutreten". Die Union habe das entsprechende Gesetz im Bundesrat nur aus wahltaktischen Gründen abgelehnt.
Beschwerde zurückgewiesen
Der höchstrichterlichen Entscheidung zufolge durfte die Bundesregierung somit 1985 eine Liste mit Weinen veröffentlichen, in denen Glykol gefunden worden war. Die Verfassungsbeschwerden mehrerer Weinkellereien wurden zurückgewiesen. Der Staat habe in einer Informationsgesellschaft das Recht, die Öffentlichkeit in einer kritischen Marktsituation selbstständig zu informieren, erklärten die Richter in Karlsruhe. In die Berufs- und Unternehmensfreiheit werde dadurch nicht eingegriffen.
Der Glykolskandal war 1985 von Berichten ausgelöst worden, dass deutsche und österreichische Weine das Frostschutzmittel Diethylenglykol (DEL) enthielten. Die Bevölkerung war stark verunsichert, die gesundheitlichen Folgen waren nicht genau bekannt, der deutsche und österreichische Weinmarkt brach zusammen. Vor diesem Hintergrund gab das Bundesgesundheitsministerium eine Liste von Weinen heraus, in denen Glykol gefunden worden war. Dazu wurden auch die Abfüller und die Prüfnummern genannt.
Teilerfolg für Osho-Bewegung
Das gleiche Informationsrecht wie bei Gesundheitsskandalen gestanden die Karlsruher Richter dem Staat auch bei Warnungen vor religiösen Vereinigungen zu. Mitglieder der Bundesregierung hatten in den 80er Jahren Meditationsvereine der Osho-Bewegung als "Jugendsekte", "destruktive religiöse Gruppe" und pseudoreligiöse Psycho-Gruppe" bezeichnet. Die Organisation verklagte die Bundesrepublik vor dem Ober- und dem Bundesverwaltungsgericht vergeblich auf Unterlassung. Dagegen legte die Bewegung Verfassungsbeschwerde ein, die nur in einem Teilbereich Erfolg hatte.
Der Erste Senat betonte, da die Osho-Bewegung nicht hauptsächlich wirtschaftliche Ziele verfolge, könne sie zwar das Recht auf Religionsfreiheit für sich geltend machen. Dieses Grundrecht schütze aber nicht vor staatlicher Kritik. Allerdings müsse der Staat in weltanschaulichen Fragen Zurückhaltung wahren. Diffamierende oder verfälschende Darstellungen seien ihm untersagt. Demnach habe die Regierung zwar von einer "Jugendsekte" sprechen, die Bewegung aber nicht als "pseudoreligiös" bezeichnen dürfen.
Quelle: ntv.de