Politik

"Märkte an die Kette legen" Regierung für Finanzkontrollen

Insolvenz für Staaten, EU-Haushaltskontrolle und Abgaben für den Finanzsektor: Die schwarz-gelbe Koalition legt einen Forderungskatalog vor, der zusammen mit der Griechenland-Hilfe vom Bundestag beschlossen werden soll. Damit kommen CDU und FDP der SPD entgegen - die Sozialdemokraten pochen aber weiter auf eine Finanzmarktsteuer.

Gemeinsam gegen die Krisen: Westerwelle und Merkel sind offenbar zu weiteren Schritten bereit.

Gemeinsam gegen die Krisen: Westerwelle und Merkel sind offenbar zu weiteren Schritten bereit.

(Foto: dpa)

Die schwarz-gelbe Koalition will mit härteren Vorsichtsmaßnahmen und strengeren Kontrollen für den gesamten Euro-Raum Finanzkrisen künftig vermeiden. Dazu soll gemeinsam mit der Opposition ein Forderungskatalog an die EU erarbeitet werden, kündigten die Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP, Volker Kauder und Birgit Homburger, an. Das Papier soll bereits an diesem Freitag im Bundestag verabschiedet werden - zusammen mit dem Gesetz für die deutsche Griechenland-Hilfe.

Kauder sagte nach einem Treffen der Koalitionsspitzen, bei Verstößen gegen die im EU-Vertrag vorgeschriebene Verschuldung sollten künftig Stimmrechte versagt und Leistungen gekürzt werden. Homburger fügte hinzu: "Wir müssen jetzt von der Krisenbewältigung zu Krisenprävention kommen." CDU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich wies darauf hin, dass dazu alle Euro-Staaten mitmachen müssten.

FDP-Chef zu Regulierung bereit

Nach dem Willen von Union und FDP muss die EU-Kommission schneller und besser Einblick in die Haushaltsverfahren der einzelnen Länder bekommen. Außerdem solle künftig ein geordnetes Insolvenzverfahren für verschuldete Staaten möglich sein. Der Finanzsektor solle durch Steuern und Abgaben beteiligt werden. Die Koalition verlangt auch eine eigenständige europäische RatingaAgentur.

FDP-Chef Guido Westerwelle forderte nach Angaben aus Teilnehmerkreisen in der Sitzung eine Neuordnung der Finanzmärkte. Dabei zog der Außenminister einen Vergleich zur "Agenda 2010". Diese habe nur von Rot-Grün durchgesetzt werden können. Eine Neuordnung der Finanzmärkte sei nun nur durch die "bürgerlichen Parteien" möglich. Westerwelle sprach von einer "Agenda 2020, mit der Exzesse an den Finanzmärkten wieder an die Kette gelegt werden" sollten.

SPD fordert Vertrauensfrage

Nach ersten Probeabstimmungen kann die Koalition mit einer klaren Mehrheit für das Gesetz rechnen. Bei Sondersitzungen von Union und FDP gab es am Montagabend insgesamt zehn Gegenstimmen und 15 Enthaltungen. "Natürlich ist da keine Euphorie", sagte Kauder. "Aber es war ganz klar zu spüren, dass die Fraktion um die Verantwortung weiß."

Die SPD will mehr: Fraktionschef Steinmeier, Oppermann und Parteichef Gabriel (von links).

Die SPD will mehr: Fraktionschef Steinmeier, Oppermann und Parteichef Gabriel (von links).

(Foto: picture alliance / dpa)

Angesichts von 25 Enthaltungen oder Nein-Stimmen in der Koalition forderte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann Kanzlerin Angela Merkel auf, die Vertrauensfrage zu stellen. Die SPD-Fraktion will erst am Donnerstag über ihre Haltung entscheiden.

Oppermann betonte zudem die SPD-Forderung, dass seine Fraktion eine klare Zustimmung der Bundesregierung unter anderem zu einer europäischen Finanztransaktionssteuer erwarte. Es müsse verbindlich verabredet werden, welche Maßnahmen zur besseren Kontrolle der Finanzmärkte auf den Weg gebracht werden. Als weitere Punkte nannte er die Beteiligung von Banken und Investoren an dem Hilfspaket für Griechenland, eine europäische Rating-Agentur und eine stärkere Regulierung und Aufsicht hoch spekulativer Hedgefonds.

Auch CDU-Teile für Finanzsteuer

Auch Sachsens CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich sprach sich für eine Transaktionssteuer aus. Dadurch würden Spekulationen erschwert und unattraktiver gemacht, sagte er dem Radiosender RTL. Zugleich werde Geld in die öffentlichen Kassen gespült. "Es kann nicht sein, dass Banken, die Griechenland erst Geld zu spekulativen Zwecken zur Verfügung gestellt haben, dann gegen dieses Land spekulieren und bei der Rettung jetzt vielleicht auch noch Geld verdienen."

Der CDU-Finanzexperte im Bundestag, Manfred Kolbe, bezeichnete das Rettungspaket für Griechenland wegen der Ausklammerung der Gläubiger im Banken- und Versicherungssektor für "nicht zustimmungsfähig". Er sagte der "Leipziger Volkszeitung": "Die europäischen Steuerzahler zahlen die Zeche für die Profiteure, die jetzt mit ihren griechischen Staatsanleihen neun Prozent Zinsen kassieren." Bei jeder normalen Insolvenz müssten Gläubiger mindestens auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, "aber die Herren vom Finanzmarkt kommen ganz ungeschoren davon."

Finanzbedarf doch höher?

Das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland soll bis zum Jahr 2012 Kredite von bis zu 110 Milliarden Euro erhalten. Auf die Euro-Staaten sollen davon 80 Milliarden Euro entfallen, auf den Internationalen Währungsfonds (IWF) 30 Milliarden. Deutschlands Anteil am dreijährigen Rettungspaket beläuft sich auf bis zu 22,4 Milliarden Euro. Allein in diesem Jahr will sich Deutschland mit 8,4 Milliarden Euro beteiligen. Das Bundeskabinett hatte das erforderliche Gesetz am Montag auf den Weg gebracht. Am Freitag entscheidet darüber auch der Bundesrat.

Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung liegt der tatsächliche Bedarf Griechenlands noch höher. Das Bundesfinanzministerium gehe bis Ende 2012 von insgesamt 150 Milliarden Euro aus. Das habe der Parlamentarische Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter am Montag vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages erklärt. Danach werde Griechenland versuchen, neben den vom IWF und den Euro-Staaten bereitgestellten Krediten über 110 Milliarden Euro rund 40 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufzunehmen.

Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts/AFP

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