Aufbruch in Nordirland Regierung vereidigt
08.05.2007, 09:19 UhrNach Jahrzehnten blutiger Terroranschläge und fast fünf Jahren politischen Stillstands hat Nordirland eine neue Regierung. Sie wird gebildet von einst verfeindeten Parteien von pro-britischen Protestanten und irisch-republikanischen Katholiken: der Democratic Unionist Party (DUP) und Sinn Fein.
Endlich hätten damit auch die Menschen im Norden der irischen Insel "die reale Chance, eine Zukunft in Frieden und Wohlstand aufzubauen", erklärte der britische Premierminister Tony Blair. Ähnlich äußerte sich der irische Ministerpräsident Bertie Ahern.
In einer Grußbotschaft würdigte auch US-Präsident George W. Bush den Friedenswillen der einstigen Konfliktgegner und das Engagement von Blair und Ahern. Die USA hatten durch Sonderbotschafter mehrfach zwischen den verfeindeten Seiten vermittelt.
Hass-Prediger und Ex-Terrorist
"Ich bin heute überzeugt, dass in Nordirland eine Zeit des Friedens begonnen hat, eine Zeit, in der nicht mehr der Hass herrscht" sagte der neue nordirische Regierungschef Ian Paisley, der Jahrzehnte lang seinen Ruf als Scharfmacher gepflegt hatte. Der 81-jährige DUP-Chef wurde als "Erster Minister" vereidigt. Den Amtseid als sein Stellvertreter legte der Sinn-Fein-Politiker Martin McGuinness ab, ein ehemaliger Kommandeur der Terrororganisation IRA.
"Wir wissen, dass der Weg, den wir jetzt beschreiten, viele Kurven und Stolpersteine hat", sagte McGuinness. "Doch dieser Weg wird von der übergroßen Mehrheit der Menschen unterstützt." Die DUP und Sinn Fein waren Anfang März als die stärksten Parteien aus Wahlen zum nordirischen Parlament Nordirland-Parlament hervorgegangen.
Die von Paisley und McGuinness geführte Regierung hat zehn Minister und zwei Staatssekretäre. Als Juniorpartner sind auch die pro-britische Partei Ulster Unionists (UUP) und die eher pro-irische Sozialdemokratische und Labour-Partei (SDLP) beteiligt. Dem Terror im Nordirland-Konflikt waren seit 1969 mehr als 3.500 Menschen zum Opfer gefallen. Die Grundlage für eine friedliche Lösung wurde 1998 durch das Karfreitagsabkommen gelegt, an dem neben den Konfliktgegnern auch die Regierungen in Dublin und London beteiligt waren. Das Abkommen legt fest, dass die nordirische Regierung von Vertretern beider Seiten gebildet werden muss.
"Prozess der Heilung und Versöhnung"
Mit den Wahlen und der Regierungsbildung habe jetzt "der Prozess der Heilung und Versöhnung" begonnen, erklärte der Pfarrer Paisley. Noch nach dem Karfreitagsabkommen lehnte Paisley jeden Kontakt mit Sinn Fein als "Pakt mit dem Teufel" ab. "Die Menschen haben jetzt für ein neues politisches System votiert, das auf Versöhnung basiert", fügte McGuinness hinzu.
Die Vereidigung im Parlamentsgebäude, dem Stormont, an der auch der irisch-stämmige US-Senator Edward Kennedy als Ehrengast teilnahm, bildete den Höhepunkt eines Friedensprozesses, der ursprünglich von der SDLP und der UUP initiiert worden war. "Wir können die turbulente Vergangenheit nicht ungeschehen machen", sagte Ahern. "Aber wir können und werden helfen, eine neue Zukunft gestalten."
Blair erklärte, die Schaffung von Frieden in Nordirland könne als Beispiel für die Überwindung anderer Konflikte in der Welt dienen. Für den Premierminister war die Zeremonie in Belfast zugleich ein letzter großer Triumph bevor er noch in dieser Woche ein Datum für seinen bereits angekündigten Rücktritt bekanntgeben will.
Quelle: ntv.de