Politik

Schluss mit Koalitionsdebatte Regierung zieht Reißleine

Führende Regierungspolitiker haben versucht, die ein Jahr vor der Bundestagswahl ausgebrochene Koalitionsdiskussion einzudämmen. In den Parteien ging die Debatte über alternative Regierungsbündnisse aber munter weiter. FDP-Chef Guido Westerwelle setzt trotz der SPD-Avancen weiter auf eine Koalition mit der Union. Die Grünen sind einem möglichen Ampel-Bündnis mit SPD und FDP nicht abgeneigt, sehen dafür aber derzeit keine Basis.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla rief zur Zurückhaltung auf. "Ich rate allen, die Sacharbeit in den Vordergrund zu stellen." Die Menschen hätten es satt, wenn die Politiker immer neue Spekulationen an den Tag legten, sagte er nach einer Sitzung des CDU-Bundesvorstands an die Adresse der SPD.

Keine Entscheidung ohne Wähler

Auch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bremste die Koalitionsdebatte, die er am Wochenende mit Angeboten an die FDP angeheizt hatte. "Solche Fragen sollten wir ohnehin nicht ohne den Wähler entscheiden", sagte er in München. Er bekräftigte seine Ablehnung der Linken: "Das ist keine Partei, die für uns als Koalitionspartner in Betracht kommt."

Westerwelles altes Lied

Westerwelle sagte nach einer FDP-Präsidiumssitzung, für ein von SPD und Grünen nach dem Führungswechsel bei den Sozialdemokraten wieder verstärkt ins Spiel gebrachtes Ampel-Bündnis gebe es derzeit keine Grundlage. "Die SPD ist unverändert auf Linkskurs", sagte er mit Hinweis auf rot-rote Bündnisdebatten in Hessen und anderen Bundesländern.

Grüne sehen keine Diskussionsnot

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sah wegen der anhaltenden Schwäche der SPD in Umfragen derzeit keine Grundlage für Debatten über eine Ampel. Fraktionschefin Renate Künast sagte, eine Ampel wäre besser als das, "was die schwarz-rote Koalition zur Vorführung bringt". Zu Berichten über ein mögliches Jamaika-Bündnis sagte Bütikofer, zum Mehrheitsbeschaffer für eine Koalition aus Union und FDP würden die Grünen "ganz sicher nicht".

Der Linke-Vorsitzende Oskar Lafontaine warf der SPD vor, mit einem Ampel-Bündnis die eigene Politik aufzugeben. Damit verabschiedeten sich die Sozialdemokraten von ihren Forderungen nach Mindestlöhnen und einer "ordentlichen" Erbschaftssteuer. "Sie werfen den Kernbestand ihrer Politik über Bord", sagte Lafontaine.

Avancen gehen weiter

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, warb weiter intensiv um die FDP. "Wir haben Gemeinsamkeiten in der Außenpolitik. Wir haben Gemeinsamkeiten in der Bildungspolitik", sagte er der ARD. "Die FDP wäre für uns ein Partner."

Nach der Benennung von Steinmeier als SPD-Kanzlerkandidat sieht Westerwelle die große Koalition am Ende: "Die Bundesregierung hat sich in den Dauerwahlkampf verabschiedet." Der "Zerfallsprozess" der Koalition habe einen neuen Höhepunkt erreicht. Laut Westerwelle wäre es das Beste, wenn so bald wie möglich Neuwahlen kommen: "Ein Jahr Dauerwahlkampf kann sich das Land nicht leisten."

Run auf die SPD

Nach einer Umfrage der "Bild"-Zeitung bei allen SPD-Landesverbänden konnte die Partei seit dem Führungswechsel vor einer Woche einen Mitgliederzuwachs verzeichnen. Demnach traten mehr als 400 Bürger neu in die Partei ein.

Für den Landesparteitag der Berliner SPD am 11. Oktober zeichnen sich Diskussionen über die bisher strikte Koalitionsabsage mit der Linken im Bund ab. Zwei linke SPD-Kreisverbände stellen Anträge, dass sich die SPD auf Bundesebene einer Zusammenarbeit mit der Linken "bis zur Regierungsbildung" nicht länger verweigern dürfe, bestätigte ein Parteisprecher einen Bericht des "Tagesspiegel".

Quelle: ntv.de

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