Thailands Vize tritt zurück Regierungschef flieht
07.10.2008, 10:05 UhrNach den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Regierungsgegnern in Thailand hat Vize-Regierungschef Chavalit Yongchaiyudh seinen Rücktritt eingereicht. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten stimme nicht mit dem überein, was er "versprochen" habe, erklärte Chavalit in einer handschriftlichen Erklärung. Er habe Verletzte verhindern wollen und trete deswegen mit sofortiger Wirkung von seinem Posten zurück, erklärte Chavalit. Der Vize-Regierungschef ist einer von fünf Stellvertretern. Er war mit den Verhandlungen mit den seit Wochen gegen die Regierung protestierenden Demonstranten beauftragt.
Bei den gewaltsamen Zusammenstößen am Rande des Antrittsbesuchs des neuen thailändischen Ministerpräsidenten Somchai Wongsawat versuchte die Polizei in Bangkok vergeblich, eine Blockade des Parlaments zu verhindern. Die Polizei war am frühen Morgen mit Tränengas angerückt. Mindestens 190 Demonstranten wurden verletzt, einige von ihnen schwer. Zwei Menschen wurden nach Augenzeugenberichten Gliedmaßen abgerissen, einer verlor seine Hand - offenbar durch explodierende Tränengasgeschosse, die aus unmittelbarer Nähe abgefeuert worden waren. Eine Frau wurde durch die Explosion einer Autobombe getötet.
Abgeordnete sitzen fest
Rund 4500 Polizisten zerstreuten die Demonstranten zunächst und machten den Weg für die Abgeordneten und den Regierungschef frei. Die geplante Parlamentssitzung fand statt. Doch umstellten immer neue Kundgebungsteilnehmer anschließend wieder das Gelände. Regierungschef Somchai Wongsawat musste per Helikopter fliehen. Hunderte Abgeordnete saßen auf dem umstellten Gelände fest.
Mit Lastwagen versuchten die Demonstranten, den Zugang zum Parlament zu blockieren. Vorübergehend konnten sie sogar die Stromversorgung in einigen Parlamentsgebäuden unterbrechen. Der Polizei gelang es zwar, die Barrikaden aus Stacheldraht und Autoreifen zu beseitigen, doch rund 4000 Demonstranten harrten vor dem Parlamentsgebäude aus.
Königin spendet für Verletzte
Ein Sprecher der oppositionellen Demokratischen Partei sagte, seine Partei boykottiere die Sitzung, "weil die Regierung mit Gewalt gegen friedliche Demonstranten vorgegangen ist". Die Regierung habe mit der "exzessiven Gewalt überreagiert". Thailändischen Medienberichten zufolge spendete Königin Sirikit für die Behandlung der Verletzten 2200 Euro.
Die Demonstranten der außerparlamentarische Opposition (PAD), die seit Ende August den Regierungssitz in Bangkok belagern, halten Somchai sowie dessen Vorgänger Samak Sundaravej für "Marionetten" des vor zwei Jahren vom Militär gestürzten Regierungschef Thaksin Shinawatra. Somchai ist ein Schwager von Thaksin. Die PAD forderte die Regierung ultimativ zur Auflösung des Parlaments auf, sonst würden "scharfe Maßnahmen gegen die Regierung" ergriffen.
Grassierende Korruption
Der Milliardär Thaksin wird für die grassierende Korruption verantwortlich gemacht. Er hat sich mit seiner Frau ins britische Exil abgesetzt. Die regierende Partei der Volksmacht (PPP) gilt als Sammelbecken der Anhänger Thaksins, der das Land von 2001 bis 2006 regierte und vor allem in den ländlichen Gebieten im Norden und Nordosten des Königreichs über großen Rückhalt verfügt. In der PAD haben sich Royalisten, Gewerkschafter, Geschäftsleute und Vertreter traditioneller Eliten aus Bangkok zusammengeschlossen. Sie halten das demokratische System für anfällig für Korruption und fordern deshalb ein Parlament, in dem 30 Prozent der Abgeordneten gewählt sind und die restlichen 70 Prozent ernannt werden.
Samak hatte nach wochenlangen Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern der Regierung auf sein Amt verzichtet. Nachdem ihn das Verfassungsgericht wegen seiner Nebentätigkeit als Fernsehkoch abgesetzt hatte, verweigerte ihm seine eigene PPP die Gefolgschaft bei dem Versuch, sich wiederwählen zu lassen.
Quelle: ntv.de