Russland überdenkt Beziehungen Rice im Kalten Krieg
21.08.2008, 16:21 UhrDie USA fordern unverändert eine schnelle Aufnahme Georgiens in die NATO. Bei ihrem Polen-Besuch bekräftigte Außenministerin Condoleezza Rice, dass die Konflikte um die abtrünnigen Regionen kein Hindernis für die Aufnahme Georgiens in die NATO seien.
Rice sagte in Warschau, Deutschland sei ein Beispiel dafür, dass territoriale Konflikte einer NATO-Mitgliedschaft nicht entgegenstünden. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte derweil, man wolle die Tür zur NATO nicht "ganz zuwerfen", da beide aufeinander angewiesen seien.
Aufeinander angewiesen
"Ich will nicht anmaßend klingen, aber es gab einen großen territorialen Konflikt bei der Gründung der NATO. Der hieß Ostdeutschland", sagte die US-Außenministerin. "Und wir haben Westdeutschland deswegen nicht daran gehindert, der NATO beizutreten." In den vergangenen Monaten hatte die deutsche Bundesregierung mehrfach erklärt, ein NATO-Beitritt Georgiens sei zwar grundsätzlich denkbar, doch müsse Georgien zuvor seine territorialen Probleme vor allem mit Russland gelöst haben.
Als Reaktion auf die Georgien-Politik der NATO will Russland nach Angaben des Außenministeriums in Moskau sein Verhältnis zum westlichen Militärbündnis "überdenken". Die Veränderungen beträfen vor allem die militärische Zusammenarbeit mit Brüssel.
Man sei aber zugleich aufeinander angewiesen, wie die Lage in Afghanistan zeige. Aus Protest gegen das militärische Vorgehen Russlands in Georgien hat die NATO die Beziehungen zu Moskau bis zum Truppenabzug aus Georgien auf Eis gelegt.
Bundeswehr-Flüge nach Afghanistan nicht betroffen
Die Bundeswehr-Transportflüge durch russischen Luftraum zur Versorgung der Truppen in Afghanistan sind durch die Krise zwischen Moskau und der NATO nicht gefährdet. Der Generalstab in Moskau teilte mit, die Afghanistan-Kooperation mit Brüssel stehe derzeit nicht zur Diskussion.
Nach den Worten des russischen Botschafters bei der NATO, Dmitri Rogosin, ist die Lage in Afghanistan von höchstem nationalen Interesse. "Uns käme eine Niederlage der NATO in Afghanistan nicht gelegen", sagte Rogosin der Zeitung "Iswestija".
Russland will zudem nach Angaben aus Militärkreisen sämtliche für 2008 geplanten Veranstaltungen mit der NATO, darunter auch Manöver, aussetzen. Rogosin sagte, er rechne aber nicht mit einem völligen Abbruch der Kontakte.
Nachschub für deutsche Truppen
Russland und die NATO hatten sich im April über den Transport militärischer Güter mit Ausnahme von Waffen durch russisches Gebiet nach Afghanistan geeinigt. Der Transport mit der Bahn war in der Vergangenheit an der fehlenden Zustimmung der zentralasiatischen Republik Turkmenistan gescheitert.
Vor vier Jahren hatte die Staatsduma in Moskau Deutschland als einzigem NATO-Mitglied erlaubt, den russischen Luftraum zur Versorgung seines Truppenkontingents in Afghanistan zu durchqueren. Mehrmals im Monat fliegen Transportmaschinen der Bundeswehr mit Zwischenlandung in Russland zum Stützpunkt Termes im Süden Usbekistans. Von Termes werden Soldaten und Nachschub nach Afghanistan geflogen.
Erinnerung an das Jahr 1955
Rice sagte weiter: "Schließlich hat Deutschland in der NATO nicht nur seine Teilung überwunden, sondern auch durch demokratischen Frieden seine sehr schwierige Geschichte mit den Nachbarn." Wir müssten uns an diese Geschichte erinnern, wenn wir über die territorialen Probleme Georgiens reden, so Rice.
Die Bundesrepublik Deutschland war 1955 der sechs Jahre zuvor gegründeten NATO beigetreten. Im selben Jahr wurde der Warschauer Pakt gegründet. Eines der Gründungsmitglieder dieses sowjetisch dominierten Militärbündnisses war die DDR. Mitte der fünfziger Jahre hatte der Rüstungswettlauf zwischen den USA und der UdSSR gerade begonnen.
Merkel hat Kurswechsel schon vollzogen
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am vergangenen Sonntag bei einem Besuch in Tiflis erklärt, das beim NATO-Gipfel Anfang April in Bukarest gegebene Versprechen, dass Georgien und die Ukraine NATO-Mitglieder werden, bestehe weiterhin. "Georgien wird, wenn es das will, Mitglied der NATO werden." Allerdings bleibe der Zeitpunkt offen, wann Georgien in den Aktionsplan für eine NATO-Mitgliedschaft (MAP) aufgenommen werde.
Unmittelbar vor dem NATO-Gipfel in Bukarest hatte Merkel zur deutschen Position gesagt: "Länder, die selbst in regionale oder innere Konflikte verstrickt sind, können aus meiner Sicht nicht Mitglieder der NATO sein. Wir sind ein Bündnis zur Verteidigung der Sicherheit und keines, in dem einzelne Mitglieder noch mit ihrer eigenen Sicherheit zu tun haben."
Rice sagte in Warschau: "Ich habe niemals geglaubt, dass das Argument, Georgien sei auch für den MAP ungeeignet, weil es ein territoriales Problem gibt, viel Sinn macht." Die NATO-Außenminister wollen im Dezember über die Aufnahme Georgiens und der Ukraine in den Aktionsplan für die NATO-Mitgliedschaft beraten.
Quelle: ntv.de