Immunität teils verfassungswidrig Richter ärgern Berlusconi
13.01.2011, 17:17 Uhr
Eine Zeitung mit dem Bild Berlusconis und der Aufschrift "Anti-Italiener" liegt vor dem Eingang des Verfassungsgerichtes.
Mehr als zwei Jahre lang befand sich Italiens Ministerpräsident Berlusconi in der komfortablen Situation, trotz zahlreicher Anklagen nicht vor Gericht erscheinen zu müssen - dank seines Immunitätsgesetzes. Diese Zeiten sind vorbei. Das Verfassungsgericht erklärt Teile des Gesetzes für nichtig.
Dem italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi droht neuer Zwist mit der italienischen Justiz. Nachdem das Verfassungsgericht des Landes das umstrittene Immunitätsgesetz in Teilen aufgehoben hat, könnten nun zwei derzeit ausgesetzte Verfahren gegen den "Cavaliere" wieder aufgenommen werden. Bislang waren Berlusconi und seine Minister wegen ihrer Amtsgeschäfte vor Strafverfolgung geschützt.

Die Opposition - hier Gianfranco Mascia - feiert das Urteil.
(Foto: AP)
Uneins darüber, ob sie das Gesetz vollständig aufheben oder beibehalten wollen, legten sich die 15 Verfassungsrichter auf einen Kompromiss fest. Demnach müssen Richter künftig von Fall zu Fall selbst entscheiden, ob Berlusconi vor Gericht erscheinen muss oder ob er tatsächlich von Amts wegen "legitim verhindert" ist. Vor dem Gericht ließen Anhänger der oppositionellen Bewegung "Lila Volk" die Sektkorken knallen. "Das Urteil bedeutet, dass über Berlusconi wie über jeden anderen auch geurteilt wird", freute sich ihr Anführer Gianfranco Mascia in Anspielung auf den Gleichheitsgrundsatz.
Berlusconi selbst hatte bereits verdeutlicht, dass er der Entscheidung des italienischen Verfassungsgerichts keinerlei Bedeutung beimisst. Das Urteil lasse ihn kalt, sagte er an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich der deutsch-italienischen Regierungskonsultationen. Die Justiz in seinem Land begreift Berlusconi nach eigenen Worten ohnehin als "Pathologie". Sie sei "besonders stark, ein echtes Machtzentrum in Italien und viel mehr als eigentlich von der Verfassung vorgesehen ist", beklagte der italienische Regierungschef.
Zwei Verfahren können aufgerollt werden
Zwei der derzeit ausgesetzten Verfahren gegen Berlusconi könnten nun wieder aufgenommen werden. Einmal geht es um mutmaßlich illegale Machenschaften von Berlusconis TV-Gruppe Mediaset. Im zweiten Fall soll Berlusconi seinen ehemaligen Anwalt David Mills bestochen haben, damit dieser vor Gericht Falschaussagen macht. Mills soll 600.000 Dollar dafür angenommen haben.
Die Prozesse könnten dem Cavaliere nicht nur eine Strafe einbringen, allein die Verfahren wären für den politisch angeschlagenen Regierungschef eine weitere Niederlage. Italien wird derzeit von einer politischen Krise erschüttert, nachdem sich Berlusconi im Sommer mit seinem früheren Parteifreund, dem Parlamentspräsidenten Gianfranco Fini, überworfen hatte. Fini hatte etwa die Immunitätsgesetze kritisiert und einen seiner Meinung nach zu großen Einfluss der fremdenfeindlichen Lega Nord in der Regierung moniert.
Bislang keine Strafen
Fini hatte wegen des Streits die von ihm mitgegründete Regierungspartei Volk der Freiheit (PDL) verlassen und später die Partei Zukunft und Freiheit für Italien (FLI) gegründet. Ihm waren mehrere dutzende Abgeordnete gefolgt, was Berlusconi die Mehrheit im Abgeordnetenhaus gekostet hatte. Erst im Dezember überstand Berlusconi dort außerdem äußerst knapp zwei Misstrauensanträge der Opposition. Im Senat stellte die Regierung selbst die Vertrauensfrage, gewann diese aber angesichts der dort noch stabilen Mehrheit.
Berlusconi hatte in der Vergangenheit schon häufiger mit der italienischen Justiz zu tun. Bis jetzt kam er jedoch immer davon: Entweder wurde er freigesprochen oder die Vorwürfe gegen ihn waren bereits verjährt.
Quelle: ntv.de, AFP