Monti muss bittere Defizitpille schlucken Rom und Berlin glätten die Wogen
04.07.2012, 20:11 Uhr
Merkel und Monti in der Villa Madama in Rom.
(Foto: AP)
Vom EU-Gipfel in Brüssel kam Kanzlerin Merkel als Verliererin. Sie war von Frankreich, Italien und Spanien überstimmt worden. Ein Treffen mit Italiens Premier Monti in Rom nutzen nun beide Seiten, um ihre Einigkeit zu demonstrieren. Allerdings muss Monti gleichzeitig die Prognose für das diesjährige Haushaltsdefizit erhöhen.
Nach den Verstimmungen auf dem EU-Gipfel demonstrieren Deutschland und Italien Einigkeit. Bei Regierungskonsultationen in Rom versicherten beide Seiten, die Schwierigkeiten in Europa gemeinsam und entschlossen angehen zu wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstrich, dass dazu weitere Reformen nötig seien. Sie bescheinigte Italiens Regierungschef Mario Monti, dafür schon sehr wichtige Weichen gestellt zu haben. Neue Zahlen zum italienischen Haushaltloch sorgten allerdings für Ernüchterung: Monti musste die Prognose für das diesjährige Defizit nach oben korrigieren.
Auf dem Krisen-Gipfel am vergangenen Donnerstag und Freitag hatte Monti im Verbund mit Spanien und Frankreich gegen den Willen Merkels Aufweichungen bei Finanzhilfen für Länder wie Italien oder Spanien und Geldspritzen für Banken über den Euro-Rettungsschirm ESM durchgesetzt. Merkel und Monti versuchten nun, diese Differenzen herunterzuspielen. Verstimmungen nach dem EU-Gipfel sieht Monti nicht. "Es ist mir jedes Mal immer wieder eine Freude, mich mit Angela Merkel zu treffen."
"Wir haben diese Entscheidungen einstimmig getroffen", sagte Monti. Merkel ihrerseits betonte, dass in Europa natürlich unterschiedliche Interessen vorhanden seien, aber man gemeinsam zu vernünftigen Lösungen kommen müsse. Wichtig sei, dass dies alles auf Grundlage der geltenden Regeln stattfinde. Auch Deutschland müsse angesichts der demografischen Entwicklung immer wieder seine Hausaufgaben machen. Im Übrigen gehe es dem Exportland Deutschland nicht gut, wenn es Europa nicht gut gehe.
"Weg der Verschuldungseindämmung weitergehen"
Monti machte deutlich, dass es ihm auf dem Gipfel grundsätzlich darum gegangen sei, neben dem beschlossenen Wachstumspakt mit einem Volumen von 120 Milliarden Euro auch kurzfristige Maßnahmen für mehr Finanzstabilität in der EU durchzusetzen. Allerdings wolle Italien derzeit ohne Milliardenhilfen auskommen. Man wolle das Haushaltsdefizit mit eigenen Reformen meistern, sagte er.
Dazu sicherte der italienische Regierungschef Merkel weitere Reformanstrengungen zu. "Die italienische Regierung ist entschlossen, den Weg der Verschuldungseindämmung weiterzugehen", sagte er am Rande der Konsultationen. Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte sollten durch weitere Sparmaßnahmen eingedämmt werden. Zudem stellte er weitere Arbeitsmarktreformen und Steuererhöhungen in Aussicht.
Gleichzeitig musste Monti allerdings die Prognose seiner Regierung für das diesjährige Haushaltsdefizit nach oben korrigieren. Der Premier sagte, er rechne nunmehr mit einer Neuverschuldung von zwei Prozent, wohingegen die bisherige offizielle Prognose bei 1,3 Prozent lag. Das italienische Statistikamt teilte vor dem Treffen Merkels und Montis mit, dass das staatliche Defizit im ersten Quartal auf acht Prozent geklettert war - das tiefste Haushaltsloch seit drei Jahren. Dafür sind vor allem die hohen Zinsen bei der Neuausgabe von Staatsanleihen verantwortlich. Im Gesamtjahr 2011 lag das Haushaltsdefizit bei 3,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Ausgeglichener Haushalt 2013 geplant
Der italienische Regierungschef unterstrich, mit dem neuen Wert von zwei Prozent Neuverschuldung liege sein Land immer noch bei der Hälfte des Durchschnittswertes aus den EU-Ländern. Der parteilose Ministerpräsident zeigte sich entschlossen, das Staatsdefizit zu verringern. Italien ächzt unter einer Schuldenlast von mehr als 1,9 Billionen Euro. Die Regierung in Rom will 2013 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Hierfür wurden bereits das Renteneintrittsalter angehoben, Ausgaben gekürzt und vor allem die Mehrwert- und Immobiliensteuer erhöht.
Zu den deutsch-italienischen Regierungskonsultationen in der römischen Villa Madama kamen neben Merkel auch fünf Fachminister, darunter Außenamtschef Guido Westerwelle, Wirtschaftsminister Philipp Rösler sowie Finanzminister Wolfgang Schäuble.
Der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler forderte Italien unterdessen auf, zur Bewältigung der Schuldenkrise Staatseigentum zu verkaufen. "Italien besitzt wertvollen Grundbesitz, Immobilien und Unternehmensbeteiligungen", sagte Schäffler dem "Handelsblatt". Italien solle nur Gelder aus dem dauerhaften Rettungsschirm ESM erhalten, wenn es den Verkauf mit Nachdruck vorantreibe. Durch die Veräußerung seiner milliardenschweren Goldreserven könnte Italien ebenfalls die Schulden herunterfahren.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts