Koalition wackelt Roth stellt sich der Basis
17.11.2001, 12:29 UhrEinen Tag nach der Vertrauensabstimmung im Bundestag ist die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth bei der Parteibasis auf heftige Kritik gestoßen. Bei einer Rede vor dem Parteitag der rheinland-pfälzischen Grünen in Kaiserslautern wurde Roth mehrfach von Zwischenrufern unterbrochen. Einen Antrag, die rot-grüne Koalition in Berlin zu beenden, lehnten die Landesdelegierten jedoch ab.
Zahlreiche Delegierte warfen Roth vor, die Bundestagsfraktion habe sich von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erpressen lassen. Andere Mitglieder des Landesverbandes klebten während ihrer Rede Plakate an die Bühne, die zum Bruch der Koalition mit der SPD aufriefen. Roth selbst forderte die Delegierten auf, beim Bundesparteitag in Rostock in der kommenden Woche die Rot-Grüne Koalition nicht platzen zu lassen.
Roth rechtfertigte das Abstimmungsverhalten der grünen Abgeordneten in Bundestag, die trotz starker Zweifel den Kanzler gestützt hatten. Die Grünen seien nicht umgefallen, betonte Roth. "Wir haben Westerwelle und Co diesen Gefallen nicht getan. Das war eine kluge Entscheidung", sagte sie mit Blick auf die Spekulationen über eine sozial-liberale Koalition auf Bundesebene. Zwar sei für die Grünen die Regierungsbeteiligung kein Selbstzweck, doch ließe sich in der Regierungsverantwortung mehr erreichen als in der Opposition.
Gleichwohl übte Roth Kritik an der Verknüpfung der Vertrauensfrage mit dem Votum über den Bundeswehreinsatz. Dies sei ein "Bärendienst für die politische Kutur in diesem Lande" und "alles andere als Ausdruck der Stärke" gewesen.
Zahlreiche Delegierte kritisierten Roth scharf und gingen bis zu persönlichen Angriffen. "Wenn du diese Rede vor einigen Jahren gehört hättest, du wärest dir selbst ins Gesicht gesprungen ", sagte eine Abgeordnete nach Roths Rede. Die Partei sei unendlich beschädigt. Die Parteiführung sei betriebsblind geworden und habe sich von Schröder demütigen und von FDP-Chef Guido Westerwelle vorführen lassen. "Der Verrat im Raumschiff Berlin schadet uns allen", sagte eine andere Delegierte. Es stelle sich die Frage, was Schröder mit den Grünen noch alles machen könne. "Wer sich zwischen alle Stühle hockt, der fällt auch auf den Arsch", warnte eine Abgeordnete.
Druck von allen Seiten ...
Der niedersächsische Landesvorstandssprecher Jan Henrik Horn sagte der "Bild am Sonntag": "Rot-Grün hat seinen Charme verloren." Die Vertrauensbasis sei nachhaltig gestört. Die rheinland-pfälzische Grünen-Sprecherin Steffi Ober forderte den Parteitag zur Diskussion auf, "ob es sinnvoll ist, unter solchen Bedingungen in der Koalition zu bleiben". Thüringens Grünen-Chefin Astrid Rothe erklärte, der Umgang des Kanzlers mit den Grünen sei "keine gute Ausgangsbasis für eine weitere Zusammenarbeit mit der SPD". Auch der zur Parteilinken gerechnete Bundestagsabgeordnete Hans Christian Ströbele will sich für einen "kriegskritischen Antrag" einsetzen.
...aber auch Fürsprache
Mehrere Landeschefs der Grünen warben dagegen für eine Fortsetzung der Koalition mit der SPD. Im Gespräch mit der "Berliner Zeitung" sagte der Vorsitzende des größten und mehrheitlich linken Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Frithjof Schmidt, er werde auf dem Parteitag in Rostock für die Fortsetzung der rot-grünen Koalition votieren. Die Grünen dürften nicht auf Grund der Bewertung eines Militäreinsatzes, der wahrscheinlich gar nicht mehr zu Stande komme, die Regierung verlassen. Der baden-würtembergische Grünen-Chef Andreas Braun sagte demselben Blatt, er wünsche sich eine "möglichst breite Mehrheit" auf dem Parteitag.
Quelle: ntv.de