"Ich bedaure zutiefst" Rumsfeld vor Senatsausschuss
07.05.2004, 18:30 UhrUS-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat die politische Verantwortung für die Misshandlung von Häftlingen im Irak übernommen. Vor dem Streitkräfteausschuss des Kongresses entschuldigte sich Rumsfeld am Freitag für die Übergriffe: "Ich bedaure zutiefst." Er habe die Schwere des Skandals unterschätzt.
"Was passiert ist, empfinde ich als entsetzlich", sagte Rumsfeld, der unter Eid vernommen wurde. Die Misshandlungen seien eine "Katastrophe". Der Verteidigungsminister kündigte die Bildung einer Untersuchungskommission an. Die Regeln und Vorschriften für die Militärgefängnisse würden überprüft und geändert. Die verantwortlichen Militärs und die 37 zivilen Verhörspezialisten in dem Gefängnis seien angewiesen gewesen, gemäß der Genfer Konvention zu verfahren.
Disput über Verantwortlichkeit
Zu einem heftigen Wortwechsel zwischen demokratischen Senatoren und Rumsfeld kam es über die Frage, wer denn letztendlich die Verantwortung für die Befragung und die Behandlung der Gefangenen gehabt habe. Verantwortlich seien nicht Mitarbeiter privater Firmen gewesen, sondern Militärs betonte Rumsfeld nach zunächst ausweichenden Antworten.
Er übernehme als Verteidigungsminister die volle politische Verantwortung, sagte Rumsfeld. Das beinhalte auch, dass die direkt Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen und dass unverzüglich Konsequenzen gezogen würden, damit so etwas nie wieder geschehen könne. Über seinen eigenen Rücktritt habe er in den vergangenen Tagen "mehr als einmal nachgedacht". Er würde sofort zurücktreten, wenn der das Gefühl hätte, er könne seiner Aufgabe nicht mehr effektiv nachkommen. Er werde aber den parteipolitisch motivierten Rücktrittsforderungen nicht nachkommen.
Der Verteidigungsminister räumte vor dem Ausschuss eigene Versäumnisse ein: "Ich habe nicht erkannt, wie wichtig es gewesen wäre, Vorkommen solcher Schwere an die höchsten Stellen, wie den Präsidenten und die Mitglieder des Kongresses, weiterzuleiten."
Entschädigung als Wiedergutmachung
Rumsfelds Worten zufolge gibt es noch mehr als die bisher veröffentlichten Bilder und Videos, auf denen "sadistische, schreckliche und unmenschliche" Vergehen an Gefangenen zu sehen seien. Trotz der schrecklichen Vorfälle seien sie nun auch eine Gelegenheit, der Welt zu zeigen, wie anders jene damit umgehen, "die an Demokratie und Menschenrechte glauben" im Unterschied zu jenen, die dem Terror anhängen.
Er werde den Opfern Entschädigungen anbieten, sagte Rumsfeld, der vor dem Ausschuss ohne seine gewöhnlich zur Schau gestellte Forschheit auftrat. "Es tut mir schrecklich Leid, was den irakischen Häftlingen widerfahren ist. Sie sind Menschen. Sie waren in US-Haft. Unser Land hatte eine Verpflichtung, sie korrekt zu behandeln. Wir taten es nicht."
Genfer Konvention missachtet
Der Vorsitzende des Senatsausschusses, der Republikaner John Warner, sagte, die Fotos nackter, gedemütigter und sexuell misshandelter Häftlinge seien ein militärisches Fehlverhalten, das er in seiner langen Karriere noch nicht erlebt habe. Der demokratische Senator Edward Kennedy warf Rumsfeld vor, die Genfer Konvention über den Schutz von Kriegsgefangenen missachtet zu haben.
"Kriegsverbrecher"
Rumsfeld wurde zeitweise durch Zwischenrufe von Demonstranten gestört. Demonstranten von der Zuschauerbühne riefen "Kriegsverbrecher", "Feuert Rumsfeld" und "Ende der Besetzung". Sie wurden rasch aus dem Saal gebracht.
Umgehende Bestrafung gefordert
Nach der Entschuldigung von US-Präsident George W. Bush für die Misshandlungen im Irak hatte auch das US-Repräsentantenhaus die Exzesse von US-Soldaten verurteilt. Die Beteiligten müssten umgehend bestraft werden, heißt es in einer mit 365 gegen 50 Stimmen verabschiedeten Resolution.
Auch die meisten republikanischen Parteifreunde von Bush stimmten für die Entschließung. Der Senat, das zweite Haus des US-Kongresses, plant ebenfalls eine Verurteilung der Vorfälle im Gefängnis von Abu Ghoreib.
Ausdrücklich entschuldigte sich Bush für die Misshandlungen irakischer Gefangener. Nach einem Treffen mit dem jordanischen König Abdullah II. sagte Bush in Washington: "Es tut mir Leid, dass die Gefangenen diese Demütigungen erleiden mussten." Bis dahin hatte Bush zwar die Misshandlungen scharf verurteilt, sich aber nicht dafür entschuldigt.
Annan sieht ernsthaftes Bemühen
In der arabischen Welt sollte nach Ansicht von UN-Generalsekretär Kofi die "ernsthafte" Reaktion der US-Regierung auf die Misshandlung von Gefangenen im Irak wahrgenommen werden. Er sei "erleichtert, dass die US-Führung, einschließlich Präsident George W. Bush, ihr Bedauern ausgedrückt" habe, sagte Annan am Freitag Reportern im UN-Hauptquartier in New York. "Ich hoffe, dass die Menschen in der Region dieser Reaktion Beachtung schenken."
Quelle: ntv.de