Politik

USA als Scharfmacher Russen gegen Eiszeit

Nach Tagen der Konfrontation hat Russland im Streit mit der NATO erstmals deutliche Signale der Entspannung gesendet. Trotz der jüngsten Eiszeit in den Beziehungen halte sein Land an der militärischen Zusammenarbeit mit der Allianz fest, sagte der russische Nato-Botschafter Dmitri Rogosin. Russland werde die jetzige Situation genau prüfen und sich "pragmatisch" verhalten. Die militärische Kooperation stehe aber nicht auf dem Spiel, da das Verhältnis sehr gut und vertrauensvoll sei.

Der Botschafter kündigte an, in den nächsten Tagen Signale an seine Nato-Kollegen aussenden zu wollen, die von diesen positiv aufgenommen werden dürften. "Es wird definitiv keinen Kalten Krieg geben", sagte Rogosin weiter. Das norwegische Verteidigungsministerium hatte zuvor mitgeteilt, dass Russland seine militärische Zusammenarbeit mit der Nato aussetzen wolle.

Aus Protest gegen die andauernde russische Militärpräsenz in Georgien hatte die Nato am Dienstag alle Gespräche mit Russland auf Eis gelegt. Russland zog trotz der internationalen Kritik auch am Mittwoch keine Truppen im nennenswerten Umfang aus Georgien ab. Frankreich warf dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew deshalb erneut Wortbruch vor.

Appell von Merkel

Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Moskau eindringlich auf, Wort zu halten und den bis Freitag angekündigten Truppenabzug fristgerecht zu vollziehen. "Das A und O ist, dass Russland den Truppenabzug nicht weiter verschleppt", sagte sie nach Angaben des stellvertretenden Regierungssprechers Thomas Steg.

Ein Sprecher des US-Präsidialamts sagte am Mittwochabend, es gebe erste Zeichen eines russischen Abzugs. Diese seien jedoch nicht aussagekräftig genug. Sowohl der Umfang des Abzugs als auch das Tempo müssten gesteigert werden. Am Mittag hatte ein Sprecher der Bundesregierung gesagt, man habe keine belastbaren Hinweise auf einen Abzugs-Beginn.

Harte Töne von Rice

US-Außenministerin Condoleezza Rice schlug in der Auseinandersetzung erneut harte Töne an. Sie warf Russland vor, Georgien und seine Wirtschaft "strangulieren" zu wollen. Zudem würden russische Soldaten Georgier drangsalieren. Russland sei dabei, sich vom Rest der Welt abzuschneiden. Damit werde die Einbindung in internationale Institutionen aufs Spiel gesetzt. "Der Verlierer bei der Angelegenheit ist Russland", sagte sie dem Sender CBS. "Russland wird immer mehr zum Geächteten in diesem Konflikt."

Russlands Militär erklärte indes, es werde seine Truppen vorerst in einer Pufferzone um Südossetien belassen. Vize-Generalstabschef Anatoli Nogowizyn sagte, die Soldaten würden so lange dort bleiben, wie die Regierung es für nötig halte. Man habe auch ein Mandat für einen Einsatz in einer Pufferzone um die andere abtrünnige Region, Abchasien.

Keine Einigung bei UN

Im UN-Sicherheitsrat hatte es am Dienstagabend keine Einigung zum Umgang mit Russland gegeben. Russland, das als Vetomacht Entscheidungen verhindern kann, wies einen Resolutionsentwurf mit der Forderung nach einem sofortigen Truppenabzug zurück. Der von Frankreich eingebrachte und von anderen westlichen Staaten unterstützte Entwurf verlangte neben einem Abzug die Einhaltung der Waffenruhe und die Rückkehr georgischer Streitkräfte auf ihre ursprünglichen Stützpunkte. Zudem wurde auf die "territoriale Integrität Georgiens innerhalb seiner international anerkannten Grenzen" verwiesen. Aus Protest legte der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin überraschend einen eigenen Resolutionsentwurf vor. Die USA und Frankreich meldeten Widerstand an.

Die georgische Außenministerin Eka Tkeschelaschwili forderte die EU unterdessen zur Entsendung von Beobachtern nach Georgien auf. "Wir brauchen eine glaubwürdige Informationsquelle", sagte sie vor dem Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments in Brüssel. Die Außenministerin sprach von einer humanitären Katastrophe. Es gebe keine einzige Hilfsorganisation, die sich frei in Georgien bewegen könne.

1771 Tote

Der fünftägige Krieg um die von Georgien abtrünnige Provinz Südossetien kostete nach offiziellen Angaben der beteiligten Seiten 1771 Menschen das Leben. 124.000 Menschen wurden nach EU-Schätzungen im eigenen Land vertrieben. Der Rückzug der russischen Truppen aus Georgien soll nach Angaben Moskaus bis Freitag beendet werden. Ausgenommen seien nur 500 Mann, die mit den vereinbarten zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen für die Bevölkerung betraut seien, teilten der russische Präsident Medwedew und der französische Präsident Nicolas Sarkozy am Dienstagabend in einer gemeinsamen Erklärung mit.

Abchasien will Anerkennung

Nach dem Krieg um die von Georgien abtrünnige Provinz Südossetien forderte das zweite Separatistengebiet, Abchasien, Russland zur Anerkennung seiner Unabhängigkeit auf. Langfristig wünscht das international nicht anerkannte Abchasien eine Aufnahme in die Russische Föderation. Beide Gebiete sehen sich durch die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovos durch den Westen in ihren Forderungen bestärkt. Abchasien und Südossetien hatten sich Anfang der 90er Jahre nach der Abspaltung von Georgien für unabhängig erklärt. Der Schritt wurde international nicht anerkannt. Georgien betrachtet beide Territorien als sein Staatsgebiet.

Georgien hatte am 7. August eine Offensive gestartet, um die Kontrolle über das abtrünnige Südossetien zurückzugewinnen. Daraufhin war russisches Militär massiv in die Region und auf georgisches Kernland vorgedrungen. Südossetien gehört ebenso wie die zweite abtrünnige Region Abchasien zu Georgien, will sich aber lossagen. Russland sieht sich für beide als Schutzmacht.

Quelle: ntv.de

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