Raketenschild kommt Russland erzürnt
15.08.2008, 18:56 UhrDie Einigung zwischen Washington und Warschau auf den Bau eines Raketenschilds in Mitteleuropa hat den Zorn Russlands hervorgerufen. Das Raketensystem habe "die Russische Föderation als Ziel", sagte der russische Präsident Dmitri Medwedew nach Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Sotschi am Schwarzen Meer. Merkel erklärte, Deutschland werde sich auch weiter dafür einsetzen, dass Russland von dem Raketenschild überzeugt und bis zu einem gewissen Punkt einbezogen werde. Die USA und Polen hatten sich am Donnerstagabend nach langen Verhandlungen geeinigt. Außenminister Sergej Lawrow sagte einen für September geplanten Besuch in Warschau ab.
Die Darstellung der USA, nach denen der Raketenschild zur Verteidigung gegen sogenannte Schurkenstaaten dienen solle, sei ein "Ammenmärchen", fügte Medwedew hinzu. Ein ranghoher russischer General sprach am Freitag von einer "weiteren Verschlechterung" des bereits durch den Georgien-Konflikt gestörten Verhältnisses zu den USA. Es sei bedauerlich, dass die USA angesichts der komplizierten Lage in Georgien ihre Beziehungen zu Russland weiter verschlechterten, sagte der stellvertretende Generalstabschef Anatoli Nogowizyn in Moskau. Russland hatte in der Vergangenheit wiederholt scharf gegen das neue Waffensystem nahe seiner Grenze protestiert.
Lawrow sagte einen für September geplanten Besuch in Warschau ab, wie sein polnischer Kollege Radoslaw Sikorski kurz nach der Einigung mit den USA bekannt gab. Die Absage sei von russischer Seite jedoch bereits zuvor mitgeteilt worden, sagte Sikorski. Nogowizyn warnte, Polen habe sich zu einem "vorrangigen" Ziel für eventuelle "Schläge" gegen den Raketenschild gemacht. "Solche Ziele werden prioritär zerstört", sagte der General laut Interfax-AWN.
Zehn Abfangraketen bis 2010
Polen und die USA hatten sich nach über einjährigen Verhandlungen auf den Bau des US-Raketenschilds geeinigt. In Polen sollen den US-Plänen zufolge bis 2012 zehn Abfangraketen installiert werden. Mit Tschechien wurde bereits am 8. Juli ein Abkommen über die Stationierung einer dazu gehörigen Radaranlage unterzeichnet.
Grund für den Durchbruch war nach Angaben des polnischen Regierungschefs Donald Tusk die Zusage der USA, künftig Patriot-Luftabwehrraketen ständig in Polen zu stationieren. Warschau hatte dies zur Bedingung für seine Zustimmung gemacht, weil es durch den Raketenschild zusätzliche Sicherheitsrisiken befürchtet.
US-Chefunterhändler John Rood sprach von einer "wichtigen Einigung" für die Sicherheit der USA, Polens und der NATO-Verbündeten, nachdem er das Abkommen unterzeichnet hatte. US-Präsident George W. Bushs Sprecherin Dana Perino bekräftigte, dass sich das Raketenabwehrsystem nicht gegen Russland richte, sondern die europäischen Verbündeten vor Raketenangriffen aus "Schurkenstaaten" wie dem Iran schützen solle.
Quelle: ntv.de