Aus weiten Teilen Europas Russland fordert Abzug der US-Truppen
17.02.2022, 20:49 Uhr
Mit einem Wutbrief reagiert Russland auf die Vorschläge der USA für Sicherheit in Europa.
(Foto: picture alliance/dpa/Sputnik)
Mit deutlichen Worten richtet sich Moskau im Ukraine-Konflikt an den Westen. In einem Schreiben wirft die Regierung der NATO vor, mit ihrer Ostausdehnung gegen die eigenen Regeln zu verstoßen. Indes fordert US-Außenminister Blinken im UN-Sicherheitsrat: Russland muss den "Weg des Krieges verlassen".
In scharfem Tonfall hat Russland die USA in einem Brief zum Abzug ihrer Streitkräfte aus Zentral-, Ost- und Südosteuropa sowie aus dem Baltikum aufgefordert. Das geht aus einem vom russischen Außenministerium veröffentlichten Schreiben hervor. "Wir sind überzeugt, dass das nationale Potenzial in diesen Zonen völlig ausreichend ist", hieß es in dem Papier, das US-Botschafter John Sullivan in Moskau übergeben wurde. Zugleich betonte Russland, keinen Überfall auf die Ukraine zu planen.
Bei einer Rede im UN-Sicherheitsrat hat US-Außenminister Antony Blinken Russland indes eindringlich dazu aufgerufen, nicht in die Ukraine einzumarschieren. Russland müsse "den Weg des Krieges verlassen und einen anderen Weg einschlagen, solange dafür noch Zeit ist", sagte er im wichtigsten Gremium der Vereinten Nationen. Ein diplomatischer Ausweg aus der Krise sei nach wie vor möglich.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte zuletzt wiederholt ein Ende der NATO-Osterweiterung gefordert sowie vor einer Aufnahme der Ukraine in das Bündnis gewarnt, weil für diesen Fall ein Krieg drohe. Die Ukraine könne als NATO-Mitglied versuchen, sich die von Russland 2014 einverleibte Schwarzmeer-Halbinsel mit militärischer Gewalt zurückzuholen, hieß es in dem neuen Dokument. Besonders betont wird das Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit. Demnach dürfe die Sicherheit eines Landes nicht zulasten der eines anderen gehen, teilte das Außenministerium weiter mit.
"Interessen anderer Staaten nicht bedrohen"
Trotzdem bestehe die NATO im Fall der Ukraine auf dem Recht der freien Bündniswahl und auf einer Politik der offenen Türen. "Diese Freiheit ist nicht absolut", hieß es in dem Brief. Die NATO und die USA hätten sich vielmehr selbst in zahlreichen Dokumenten - die aufgelistet werden - verpflichtet, nicht den Interessen anderer zu schaden. Insbesondere habe sich die NATO schon 1991 schriftlich verpflichtet, die "legitimen Interessen anderer Staaten nicht zu bedrohen" und keine neue Trennlinien zu ziehen. Es werde deshalb nun ein verbindlicher Verzicht auf eine weitere Osterweiterung der NATO erwartet, betonte das Ministerium. Es gehöre zu den Fundamenten der europäischen Sicherheitsarchitektur, dass die NATO von schädlichen Aktionen gegen Russland Abstand nehme.
Im Ukraine-Konflikt sei es jetzt wichtig, die Regierung in Kiew dazu zu bringen, den Friedensplan für die abtrünnigen Regionen Luhansk und Donezk im Osten des Landes umzusetzen. Dazu sollten auch die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine beendet und die Manöver von NATO-Staaten dort eingestellt werden sowie alle ausländischen Militärberater aus dem Land abgezogen werden. Russland bezeichnete die militärischen Aktivitäten der USA und der NATO direkt an seinen Grenzen als bedrohlich. Zugleich verbat sich Moskau Washingtons Vorhaltungen dazu, wo russische Truppen auf ihrem eigenen Staatsgebiet stationiert werden dürfen. Die Bewegungen russischer Streitkräfte, darunter auch entlang der ukrainischen Grenze, beträfen in keiner Weise die grundlegenden Interessen der Vereinigten Staaten, hieß es.
Blinken schlägt Treffen mit Lawrow vor
Bei dem russischen Schreiben handelt es sich um die Antwort auf die schriftliche Reaktion der USA auf die von Russland geforderten Sicherheitsgarantien für Europa. Washington habe die Vorschläge Moskaus weitgehend ignoriert, hieß es. Das US-Außenministerium bestätigte, dass der Brief der russischen Seite auch das Angebot neuer Gespräche über Sicherheitsfragen in Europa enthalte. Dazu gehörte demnach auch der Abzug von Nuklearwaffen aus NATO-Staaten, die keine Atommächte seien - wie etwa Deutschland. Erneut drohte Russland mit militärischen Gegenmaßnahmen, sollte eine Einigung über die Sicherheitsfragen in Europa nicht möglich sein.
Im UN-Sicherheitsrat in New York betonte Blinken, Russland habe mehr als 150.000 russische Soldaten an den Grenzen zur Ukraine zusammengezogen. Der Truppenaufmarsch sei seit Monaten klar ersichtlich. "Nicht nur wir sehen das. Verbündete und Partner sehen das gleiche." Er sagte weiter: "Die russische Regierung kann heute ohne Einschränkung, ohne Ausflüchte oder Ablenkung verkünden, dass Russland nicht in die Ukraine einmarschieren wird. Und das dann unter Beweis stellen, indem sie ihre Soldaten, Panzer und Flugzeuge zurück in ihre Garnisonen und Hangars und ihre Diplomaten an den Verhandlungstisch schickt."
Im Zuge der diplomatischen Bemühungen schlug Blinken ein Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow vor. Das Gespräch könne kommende Woche in Europa stattfinden.
Quelle: ntv.de, chf/dpa/AFP