EU-Kaukasus-Gipfel Russland ist zufrieden
02.09.2008, 16:50 UhrDer russische Regierungschef Wladimir Putin hat die Beschlüsse des EU-Sondergipfels vom Montag gelobt. Die Entscheidungen von Brüssel seien "ein Triumph des gesunden Menschenverstandes", sagte Putin laut der Agentur Interfax in Usbekistan. "Wir haben eine Basis für die Fortsetzung des Dialogs mit unseren europäischen Partnern", sagte Putin dem russischen Sender NTW.
Gleichzeitig kritisierte der ehemalige Kremlchef die Anwesenheit von NATO-Schiffen im Schwarzen Meer. Russland werde dies nicht unbeantwortet lassen, plane aber "keine hysterische Reaktion". Putin sagte, die umstrittene Anwesenheit russischer Soldaten in Georgien seien "reine Sicherheitsmaßnahmen". Dass bisher kein Staat dem Beispiel Russlands zur Anerkennung der abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien gefolgt sei, erschrecke ihn nicht. "Steter Tropfen höhlt den Stein", betonte der Regierungschef.
Die EU hatte bei ihrem Kaukasus-Sondergipfel am Montag beschlossen, die nächsten Gesprächsrunden über ein Partnerschaftsabkommen mit Russland zu verschieben. Zugleich verurteilten die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsländer die einseitige Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens durch Moskau.
Medwedew vermisst europäisches Verständnis
Der russische Präsident Dmitri Medwedew bezeichnete das Ergebnis des EU-Gipfels als zweischneidig. Es sei "traurig", dass man in der EU nicht verstehen wolle, warum Russland auf die "georgische Aggression" reagiert und später Abchasien und Südossetien anerkannt habe, sagte Medwedew laut Interfax. "Das ist schade, aber nicht fatal." Er sei sicher, dass die Anerkennung der von Georgien abtrünnigen Regionen Russland international nicht isoliere, sagte der Kremlchef. "Umgekehrt wollen auch wir niemanden isolieren."
Wie Putin lobte Medwedew, dass die EU bei ihrem Gipfel keine Sanktionen gegen Moskau beschlossen habe. Es sei erfreulich, dass in Brüssel ein "realistischer Standpunkt" die Oberhand gewonnen habe, sagte der Präsident. Dies ermögliche einen Ausbau der Beziehungen zwischen Russland und der EU.
USA ebenfalls zufrieden
Auch die USA begrüßten die Beschlüsse des EU-Gipfels zur Kaukasus-Krise. "Die USA und die EU stehen vereint hinter der staatliche Integrität, Souveränität und dem Wiederaufbau Georgiens", heißt es in einer Stellungnahme des Weißen Hauses. Die US-Regierung würdigte vor allem, dass die Europäische Union wegen der Georgien-Krise die Initiative ergriffen habe.
Russland schlug gegenüber den USA freundliche an. "Wir hoffen, dass sich die positive Agenda in den Beziehungen mit den Vereinigten Staaten durchsetzen wird", sagte der außenpolitische Berater von Medwedew. Das "Fiasko" der amerikanischen Politik in Georgien werde die USA hoffentlich nicht daran hindern, verantwortungsbewusst die echten internationalen Probleme anzugehen. Er erwarte keine Sanktionen der USA, sagte der Berater.
EU-Parlamentarier vermissen Kritik an Georgien
Im Europaparlament stießen die Beschlüsse des EU-Sondergipfels zur Kaukasus-Krise auf Kritik. Auslöser sei eine "Provokation Georgiens" gewesen, sagte der Grünen-Fraktionschef Daniel Cohn-Bendit. Dazu hätten die Staats- und Regierungschefs kein Wort gesagt. Die EU müsse aber "alle Beteiligten" verurteilen - auch den georgischen Präsidenten Michaeil Saakaschwili, der ebenfalls Fehler gemacht habe. Auch der Chef der liberalen Fraktion, Graham Watson, verwies darauf, dass der Konflikt durch die georgische Invasion in der abtrünnigen Provinz Südossetien ausgelöst worden war. Die Gipfelteilnehmer hatten lediglich die russische Invasion in Georgien scharf kritisiert.
In Deutschland stieß der Verzicht auf konkrete Sanktionen der EU gegen Russland auf ein positives Echo. Politiker der Großen Koalition, aber auch aus der Opposition, betonten, vom EU-Sondergipfel zur Kaukasus-Krise am Vortag sei ein wichtiges Signal der Geschlossenheit ausgegangen.
Es sei zu begrüßen, dass einerseits der Wille zur Kooperation erklärt wurde, andererseits auch Grundsätze der Zusammenarbeit wie Rechtstaatlichkeit benannt wurden, erklärte der CDU-Außenexperte Eckart von Klaeden. Russland müsse nun entscheiden, wie es sich weiter verhalten werde.
SPD-Fraktionsvize Walter Kolbow forderte Russland auf, als ersten Schritt unverzüglich seine Truppen aus dem georgischen Kerngebiet zurückziehen. Wie Kolbow urteilte auch der Außenexperte der Grünen, Jürgen Trittin, es sei gelungen, eine Konfrontation zu vermeiden.
Industrie, Grüne und FDP auf einer Linie
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Jürgen Thumann, sagte, Deutschland und Russland seien auf gute Beziehungen angewiesen. "Überlegungen, Russland mit Sanktionen unter Druck zu setzen oder Verhandlungen zum WTO-Beitritt und zum Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU zu stoppen, führen in die falsche Richtung." Ein Sprecher des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft erklärte: "Wir hoffen, dass der Scheitelpunkt der Eskalation jetzt überschritten ist." Kritisch merkte er an, eine klare Aussage zu Georgien habe der EU-Beschluss vermissen lassen. Auch Trittin sprach von einer "dramatischen Mitschuld" Georgiens.
Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Werner Hoyer, und ihr Kaukasus-Experte Michael Link vermissen ebenfalls kritische Worte gegenüber Georgien. "Zumindest hinter den Kulissen sollte die EU gegenüber Saakaschwili jetzt unmissverständlich klar machen, dass sie sich von niemandem in eine auf Nationalismus fußende Eskalation treiben lässt - schon gar nicht von einem Land, das eines Tages selbst Teil der NATO und des Westens insgesamt werden will", sagten die FDP-Politiker.
Quelle: ntv.de