Kernforderungen für eine Große Koalition SPD-Chef Gabriel wird konkret
06.10.2013, 09:46 Uhr
Demonstranten tragen zu Beginn der Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD Masken der Parteichefs Merkel und Gabriel.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die SPD stellt nun konkrete Forderungen für eine Große Koalition und hält sich weiter offen, ob das Bündnis zustande kommt. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Albig warnt die Sozialdemokraten dagegen vor einem Gang in die Opposition.
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat drei Kernforderungen als Bedingung für eine Koalition mit der Union genannt. In der Zeitung "Bild am Sonntag" sprach er die Einführung eines Mindestlohns, Arbeitsmarktreformen sowie Bildungsinvestitionen an. Die SPD werde sich nur dann an einem Regierungsbündnis beteiligen, wenn sie in diesen Bereichen Fortschritte erzielen könne, sagte Gabriel.
Zumindest zum Thema Bildung hatte sich Kanzlerin Angela Merkel am Wochenende geäußert: Sie erklärte in ihrem wöchentlichen Video-Podcast Investitionen in Bildung und Forschung zu einer der wichtigsten Aufgaben.
Als weitere wichtige Aufgaben machte Gabriel mehr Gelder für Infrastrukturprojekte aus, eine "faire" Rente, eine Pflegereform sowie "die Stabilisierung Europas, ohne dass es immer zulasten des Steuerzahlers geht".
Gabriel fügte hinzu, die von der Union abgelehnten Steuererhöhungen seien für die Sozialdemokraten kein Selbstzweck. "Wenn CDU/CSU das nicht wollen, müssen sie erklären, welche Alternativen es dann zur Finanzierung dieser Aufgaben gibt", sagte er. Seine Partei werde "keine Koalition eingehen, nur um ein paar Ministerposten zu ergattern".
Investitionen ohne Steuererhöhungen möglich
Nach Einschätzung des bisherigen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble sind Investitionen in Bildung und Infrastruktur auch ohne Steuererhöhungen möglich. "Dieses Land hat einen gesamtstaatlichen Überschuss. Bei einem vernünftigen Haushaltsgebaren ist unser Staat gut zu finanzieren", sagte der CDU-Politiker der "Wirtschaftswoche".
Um solche Ausgaben zu finanzieren, müssen laut Schäuble auch die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu geordnet werden. "Daher ist es gut, dass Vertreter der Bundesländer bei den Koalitionsgesprächen mit am Tisch sitzen", sagte der Finanzminister. Defizite in der Bildung und in der Infrastruktur seien ein gesamtstaatliches Problem.
Das Thema Steuererhöhungen gilt als einer der größten Streitpunkte bei den Beratungen: Die SPD will Spitzenverdiener stärker belasten, um Investitionen etwa in Bildung und Infrastruktur zu finanzieren. Die Union ist gegen höhere Abgaben. In den vergangenen Wochen hatten führende CDU-Politiker - darunter Schäuble - an dieser Stelle Bewegungsbereitschaft signalisiert. CSU-Chef Horst Seehofer versprach dagegen: "Es wird keine Steuererhöhungen geben." Dem "Focus" sagte er, Merkel sei in dieser Frage auf seiner Seite.
Schwarz-Grün ist "realistisch"
Nach den Worten des SPD-Chefs ist offen, ob weitere Sondierungsgespräche mit der Union zu einem Ergebnis führen. "Natürlich ist es möglich, dass sowohl CDU/CSU als auch wir nach einer zweiten Runde 'Nein' sagen", führte er aus. Außerdem sei es eine "realistische Möglichkeit", dass sich Union und Grüne auf eine Koalition einigen. Was nicht gehe, sei der "Versuch, sich in Neuwahlen zu retten".
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig warnte seine Partei allerdings vor dem Scheitern der Sondierung und dem Gang in die Opposition. "Wenn es der Union gelingt, die Grünen aus dem linken Lager herauszubrechen, wäre das sicher problematisch für uns", sagte der Sozialdemokrat der "Welt". Die SPD könne kein Interesse daran haben, die Grünen als strategischen Partner zu verlieren. "Dann wären wir allein auf Rot-Rot angewiesen." An der SPD-Basis gibt es allerdings reichlich Bedenken gegenüber einer Großen Koalition.
Zugleich bezweifelte Albig, dass eine schwarz-grüne Regierung volle vier Jahre regieren könnte. "Ich bin sehr unsicher, ob Union und Grüne all ihre unterschiedlichen Sichtweisen über eine komplette Legislaturperiode tragen können", sagte er. Seine eigene Partei forderte er auf, bereits jetzt für die nächste Wahl mögliche linke Mehrheiten über die Grünen hinaus in den Blick zu nehmen. "Sonst werden wir zur Dauer-Oppositionspartei", so Albig.
Vor der ersten Sondierungsrunde riefen CDU-Politiker die Grünen zur Kompromissbereitschaft auf. "Sie müssen in den Sondierungsgesprächen zeigen, dass sie ihrer Bevormundungspolitik abgeschworen haben", sagte EU-Kommissar Günther Oettinger von der CDU dem "Spiegel". Bundesumweltminister Peter Altmaier sagte, die Chancen für ein Bündnis mit den Grünen seien in den vergangenen Tagen "von "theoretisch" auf "denkbar" gestiegen". Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht warnte dagegen vor überzogenen Erwartungen. "Niemand hat diese Liaison in den vergangenen Jahren vorbereitet", sagte die CDU-Politikerin.
Union und SPD wollen ihre am Freitag begonnenen Sondierungen für eine große Koalition bei einem zweiten Treffen in großer Runde am 14. Oktober fortsetzen. Vorher trifft sich die Union am Donnerstag mit den Grünen, um Gemeinsamkeiten auszuloten.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte derweil der "B.Z. am Sonntag", dass noch unklar sei, ob nach dem ersten Treffen mit den Grünen ein weiteres Gespräch nötig sein werde. "Ich gehe aber davon aus, dass schon bald nach dem 14. Oktober Klarheit herrscht, ob und mit wem es Koalitionsverhandlungen geben wird."
Die Union war bei der Bundestagswahl mit 41,5 Prozent der Stimmen klar stärkste Partei geworden, benötigt zur Regierungsmehrheit aber einen Koalitionspartner. Die SPD hatte 25,7 Prozent erzielt, die Grünen erhielten 8,4 Prozent.
Quelle: ntv.de, mli/rts/AFP/rts