Miersch im "ntv Frühstart" SPD-Fraktionsvize fordert neues Klima-Sondervermögen
21.11.2023, 09:50 Uhr Artikel anhören
60 Milliarden Euro fehlen der Bundesregierung, weil sie aus Sicht des Verfassungsgerichts das Grundgesetz umgangen hat. Vom SPD-Fraktionsvize Miersch kommt der Vorstoß, für Klimaschutz Schulden zu machen wie für die Bundeswehr. SPD-Generalsekretär Kühnert will die Schuldenbremse aussetzen.
Die Ampel-Koalition diskutiert weiter darüber, wie sie mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt umgehen soll. Ein neuer Vorstoß kommt nun vom stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Matthias Miersch. Er sprach sich in der ntv-Sendung "Frühstart" dafür aus, als Ersatz für das gestrichene Geld aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) ein neues Sondervermögen anzulegen. Man könne diesen Geldtopf ähnlich ausgestalten wie das Sondervermögen für die Bundeswehr, sagte Miersch. Als Größenordnung nannte er 60 Milliarden Euro - also jene Summe, die durch den Gerichtsentscheid fehlt.
Die Gelder aus dem Klima- und Transformationsfonds seien notwendig, um den Umbau der Industrie, Klimaschutz und sozialen Zusammenhalt hinzubekommen, sagte der SPD-Politiker. "Deswegen müssen wir alle ein Interesse haben, jetzt die Verfassungsgerichtsentscheidung tatsächlich umzusetzen, aber die Zukunftsinvestitionen nicht zu vernachlässigen." Dies sei auch eine Form von Generationengerechtigkeit - schließlich habe das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber vor zwei Jahren auch aufgetragen, den Klimaschutz ganz oben anzusiedeln. Zudem müssten die Energiepreise für die Bürger abgesichert werden.
Für ein neues Sondervermögen bräuchte man in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit, also die Zustimmung der Union. CDU und CSU hätten als Opposition eine Riesenverantwortung und durch die Gerichtsentscheidung in den Bundesländern ähnliche Probleme wie die Ampel im Bund, sagte Miersch. Zudem hätte auch die Union ein Interesse daran, dass die Industrie transformiert werde. "Insofern hoffe ich, dass auch Herr Merz und andere jetzt auf einen konstruktiven Weg einschlagen."
"Der Bundeskanzler wird führen"
Der SPD-Politiker forderte zudem erneut, auch über die erneute Aussetzung der Schuldenbremse zu sprechen. Dies könne ein Element sein, um Mittel zu generieren. Miersch begrüßte zudem die Entscheidung des Finanzministeriums für eine Haushaltssperre für alle weiteren Ausgaben. Die Bundesregierung müsse nach dem Verfassungsgerichtsurteil am Mittwoch die Situation bewerten und in Ruhe analysieren. "Und dann muss man in einem Gesamtpaket tatsächlich diese Herausforderung stemmen." Das werde gelingen, wenn alle Ampel-Partner vernünftig miteinander arbeiteten. "Das erwarte ich jetzt auch und der Bundeskanzler wird jetzt führen."
"Das BMF stoppt die Verpflichtungsermächtigungen im Jahr 2023, um Vorbelastungen für kommende Jahre zu vermeiden", hieß es am Montagabend aus Kreisen des Finanzministeriums. "Bestehende Verbindlichkeiten werden weiter eingehalten, es dürfen nur keine neuen eingegangen werden", hieß es.
Trotz der Turbulenzen rund um das Urteil rechnet Miersch nicht mit einem vorzeitigen Ende der Ampel-Koalition. Ob das Bündnis halte, sei eine Frage der politischen Verantwortung und er erwarte von allen Beteiligten, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. "Insofern halte ich überhaupt nichts davon, jetzt in diesen Phasen über Koalitionsbrüche zu reden." Die Ampel habe die letzten eineinhalb Jahre in großen Krisensituationen gut durchgestanden. Dies sei eine Grundlage, "die mir jedenfalls Hoffnung gibt, dass wir das schaffen."
Kühnert plädiert für Aussetzen der Schuldenbremse
Zuvor hatte bereits SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert für ein Aussetzen der Schuldenbremse plädiert. Mit Blick auf das Erklären einer sogenannten Haushaltsnotlage sagte er in der ARD: "Wenn die SPD alleine regieren würde, dann wäre das sicherlich etwas, was wir tun würden, und auch nicht aus Trickserei, sondern weil die Notlage objektiv gegeben ist." Darüber werde in der Koalition gesprochen. Es gebe aber auch andere Optionen.
Die Regierung kann gemäß dem Gesetz eine Notlage erklären und die Schuldenbremse aussetzen, wenn sie unverschuldet in eine Krise geraten ist. "Ich kann nur für die SPD sagen, einfach 60 Milliarden mit dem Rasenmäher irgendwo einzusparen im Haushalt, Sozialabbau zu machen, die Transformation unserer Gesellschaft wieder zurückzunehmen, Unternehmen nicht mehr im internationalen Wettbewerb zu unterstützen und damit Arbeitsplätze in Deutschland zu verlieren, das ist etwas, dafür ist die SPD nicht gewählt worden 2021", erklärte er. "Und dafür werden wir niemals die Hand heben im Deutschen Bundestag." Man müsse nun andere Einnahmequellen finden, um im internationalen Wettbewerb nicht zurückzufallen.
Kühnert stellte außerdem klar, dass der Staat trotz der Sperrung von Haushaltsmitteln aktuelle Leistungen weiter bezahlt. Der Schritt des Bundesfinanzministeriums bedeute nicht, dass der Staat keine Ausgaben mehr tätigen dürfe. Der Stopp sogenannter Verpflichtungsermächtigungen besage, dass keine Zahlungsverpflichtungen für die Zukunft möglich seien. Der Staat könne aber alle seine aktuellen Leistungen bestreiten.
Quelle: ntv.de, psc/shu