Bürgermeister korrupt? SPD-Sumpf immer tiefer
14.03.2002, 08:11 UhrDer SPD-Spendenskandal zieht immer weitere Kreise. Nach der Affäre in Köln steht nun auch der Wuppertaler Oberbürgermeister Hans Kremendahl (SPD) unter Korruptionsverdacht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt ebenfalls gegen einen Bonner Geschäftsmann im Zusammenhang mit dem Spendenskandal. Der Generalsekretär der SPD und frühere nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Franz Müntefering soll am 21. März zur Kölner Affäre vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags aussagen.
Gegen Kremendahl sei wegen des Verdachts der Vorteilsannahme ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, sagte ein Sprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft. Kremendahl selbst bestritt, in einen Spenden-Skandal verwickelt zu sein und lehnte persönliche Konsequenzen ab. Die Bundestagsverwaltung will sich nach eigenen Angaben mit den Bestechungsvorwürfen gegen den SPD-Politiker beschäftigen.
40 Ermittler durchsuchten unter anderem Kremendahls Büroräume, seine Privatwohnung und die Räume des SPD-Unterbezirks. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll der Wülfrather Bauunternehmer Uwe Clees den persönlichen Wahlkampf Kremendahls 1999 mit einer halben Mio DM finanziert haben, die zum Teil über Strohmänner an die Partei geflossen sein sollen. Gegen den Bauunternehmer werde wegen Vorteilsgewährung ermittelt.
Der Unternehmer Clees habe möglicherweise den Oberbürgermeister wegen einer Reihe größerer Bauprojekte seiner Unternehmen in der Stadt beeinflussen wollen, so die Ermittler. Kremendahl entgegnete, er habe persönlich keine Spenden von Clees entgegengenommen und mit ihm auch keine illegalen Vereinbarungen getroffen.
Betrug an Bundespräsident Thierse?
Nach Angaben der Ermittler steht der Wuppertaler Unterbezirks- Geschäftsführer der SPD in diesem Zusammenhang unter dem Verdacht der Untreue und des Betruges an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD). Es sei möglich, dass dadurch der damalige Rechenschaftsbericht der Bundes-SPD falsch sei, da die Gelder den Ermittlungen zufolge nicht von den im Rechenschaftsbericht angegebenen Spendern stammten. Der SPD drohten dadurch finanzielle Einbußen.
So soll ein brandenburgischer Bauunternehmer als Strohmann eingesetzt worden sein. Auch ein ehemaliger Düsseldorfer Recycling- Unternehmer soll als Spender von Geldern fungiert haben, die eigentlich von Clees stammen. In beiden Fällen existierte eine geschäftliche Nähe zu Clees.
Ermittlungen gegen Bonner Geschäftsmann
Im Zusammenhang mit dem Kölner Spendenskandal ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln auch gegen den Bonner Geschäftsmann Detlev Klaudt. Klaudt sei Mitgeschäftsführer der Entsorgungs-Firma EVB gewesen, die auch Gelder an Schweizer Firmen überwiesen haben soll, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Es habe Durchsuchungen bei der Firma und dem Geschäftsmann gegeben. Ermittelt werde unter anderem wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung.
Die Stadt Bonn arbeitet nach eigenen Angaben seit Mitte der 80er Jahre mit dem Kaufmann bei der Abfallentsorgung zusammen. Bei der inzwischen aufgelösten Firma EVB (Entsorgung und Verwertung Bonn) handelt es sich um eine ehemalige Schwester von TK Umweltdienste, die sich um die Teilprivatisierung der Bonner Müllentsorgung beworben hat. TK Umweltdienste gehört je zur Hälfte Klaudt und dem in die Kölner Spendenaffäre verstrickten Müll-Unternehmer Hellmut Trienekens. Das Bonner Projekt wurde wegen der aktuellen Ereignisse in Köln und damit verbundener notwendiger Überprüfungen zunächst auf Eis gelegt.
Ultimatum abgelaufen
Gegen den früheren Kölner Spitzenfunktionär Norbert Rüther ergreift die SPD jetzt Rechtsmittel, um ihn für den entstandenen Schaden in der Parteispendenaffäre in Regress zu nehmen. Das berichtete ein Sprecher der NRW-SPD: "Das Ultimatum ist abgelaufen. Rüther hat der Partei aber bislang weder Namen noch Spendensummen genannt". Die Schatzmeisterin der Bundespartei werde nun alle rechtlichen Schritte einleiten, um Akteneinsicht in das staatsanwaltschaftliche Verfahren zu erhalten und die Hintergründe des Spendenskandals aufzuklären.
Rüther hatte am vergangenen Dienstag vor der Staatsanwaltschaft zugegeben, Spenden in Höhe von 830.000 DM angenommen zu haben. Dafür waren fingierte Spendenquittungen an 42 Empfänger ausgestellt worden. Die Partei hatte den früheren Vorsitzenden der Kölner Ratsfraktion und Ex-Landtagsabgeordneten aufgefordert, sich auch der Partei bis Donnerstag zu offenbaren.
Müntefering vor Ausschuss
Wie der Vorsitzende des Untersuchungausschuss des Bundestages, Volker Neumann (SPD), nach einer Sitzung in Berlin mitteilte, soll Generalsekretär Müntefering am 21. März zur Kölner Spendenaffäre vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags aussagen. Außerdem werde der nordrhein-westfälische SPD-Landeschef Harald Schartau vernommen. Dem SPD-Antrag hätten alle im Ausschuss vertretenen Parteien zugestimmt. Zudem habe sich das Gremium darauf verständigt, Akten der Staatsanwaltschaft und der Finanzverwaltung in Köln anzufordern.
Müntefering beantragte unterdessen schriftlich beim Ausschussvorsitzenden Volker Neumann, seine Vernehmung zu der Kölner SPD-Spendenaffäre im Fernsehen übertragen zu lassen. Dadurch wolle er sich abheben von Alt-Kanzler Helmut Kohl (CDU). Auf der Zeugenliste stehen für spätere Vernehmungen auch der ehemalige Kölner SPD-Fraktionschef Norbert Rüther und der frühere Schatzmeister der Kölner SPD, Manfred Biciste, sowie die Schatzmeisterin der Bundes-SPD, Inge Wettig-Danielmeier.
Quelle: ntv.de