Wenn das Profil fehlt SPD im freien Fall
04.06.2008, 13:56 UhrDie SPD befindet sich im freien Fall: Mit nur 20 Prozent Zustimmung in der jüngsten forsa-Umfrage erreichte sie ihren bislang niedrigsten Wert. Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann nahm dies mit Galgenhumor zur Kenntnis: Von diesem Tiefpunkt aus könne es nur noch nach oben gehen. Eineinhalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl setzt die politische Führung auf Geschlossenheit und fordert eine inhaltliche Profilierung.
Noch kann die SPD darauf hoffen, dass sich die Stimmung im Lande über das Wochenende vielleicht zu ihren Gunsten gedreht hat. Die Umfrage wurde am Freitag erstellt - einen Tag vor ihrem Zukunftskonvent in Nürnberg, von dem sich die SPD einen gewissen Schub nach vorne erwartet hat. Dort hatte die alte und neue SPD-Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, Gesine Schwan, eine erfrischende Rede gehalten.
Mehr Geschlossenheit
Doch selbst wenn die fröhliche Hochschulpräsidentin der SPD zu ein paar Bonuspunkten bei den Wählern verholfen haben sollte, komfortabel ist die Situation der Sozialdemokraten deshalb noch lange nicht.
"Wir nehmen die Umfragewerte mit der notwendigen Ernsthaftigkeit zur Kenntnis", betont Oppermann. Je mehr die SPD jedoch die inhaltliche Debatte vorantreibe, je mehr sie mit größerer Geschlossenheit vorgehe, desto sicherer sei, "dass wir aus den Umfragewerten wieder herauskommen", meint er.
"Über den Kampf zum Spiel finden"
Zum Pfeifen im Walde fühlt sich die gesamte SPD-Führung verdonnert: Der unglücklich agierende Parteichef Kurt Beck versucht es auf der traditionellen Spargelfahrt des konservativen Seeheimer Kreises auf dem Wannsee mit verbalen Anleihen beim Fußball, steht doch die Europameisterschaft unmittelbar bevor. Man müsse "über den Kampf zum Spiel finden", zitiert er den früheren Bundestrainer Sepp Herberger.
"Wir werden die Breite des Spielfeldes nutzen", fährt Beck fort und: "Wir wissen, auf welches Tor geschossen werden muss." Dabei warnt er vor Eigentoren der eigenen Mannschaft. Die SPD müsse Richtung halten; dafür müssten alle ihren Beitrag leisten. "Das gilt auch für die Führungscrew."
Ordentliche Bilanz ist nötig
Etwas nüchterner, aber ebenfalls zweckoptimistisch formuliert Fraktionschef Peter Struck auf dem Wannsee. "Wir werden aus der Situation, in der wir jetzt sind, wieder herauskommen", betet er seine Partei gesund. Dabei warnt er auch davor, den Wahlkampf gegen den Koalitionspartner Union zu früh zu beginnen. Wenn beide Koalitionsfraktionen schlecht übereinander redeten, sei es nicht verwunderlich, dass die Regierung ein schlechtes Ansehen habe. Struck fürchtet, der SPD könne es in der Öffentlichkeit angekreidet werden, wenn sie die inhaltliche Arbeit zugunsten von Unionsprügel vernachlässigt. "Wir müssen eine ordentliche Bilanz vorweisen", mahnt er.
"Gesine for president"
F ür eine Konzentration auf die Inhalte wirbt bei Spargel und Erdbeereis auch Gesine Schwan, die Hoffnungsträgerin, die auf ansteckende Weise Zuversicht ausstrahlt. Es komme darauf an, dass man sich "in der Substanz ganz einig" sei, sagt sie. Mit innerer Geradlinigkeit müsse die SPD das verfolgen, was sie wolle: eine freie, gerechte, solidarische Gesellschaft im Weltmaßstab. Die SPD-Organisatoren verteilen derweil Buttons mit der Aufschrift "Gesine for president".
"Yes, we can"
Mit Anleihen beim US-Wahlkampf liebäugelt Generalsekretär Hubertus Heil. Er selbst will zum Konvent der US-Demokraten im Herbst nach Denver fahren, um sich die ein oder andere Wahlkampfstrategie abzuschauen. Allerdings betonte er: "Wir werden keinen amerikanischen Bundestagswahlkampf führen." Die Dinge seien schlichtweg nicht nach Deutschland zu übertragen. Die Erfahrung machte Heil bereits in Nürnberg, als er bei den Delegierten nur schwache Resonanz auf seine Aufforderung bekam, "Yes, we can" zu skandieren.
CSU "sorgt" sich um SPD
Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein hat Beck und Steinmeier aufgefordert, "die SPD durch die weithin sichtbare Anbiederung an die Partei Die Linke nicht weiter zugrunde zu richten". Deshalb solle sie die Wiederwahl von Bundespräsident Horst Köhler unterstützen, forderte der CSU-Politiker in München. Mit Sorge sehe er, wie sich der Berliner Koalitionspartner in Umfragen der Bedeutungslosigkeit nähere. Das sei schlecht für die Stabilität in Deutschland.
Wahlkampf "auf der Höhe der Zeit"
"Auf der Höhe der Zeit" will Heil den Wahlkampf führen. Für die "Kampa 2009" holt er sich externen Sachverstand ins Willy-Brandt-Haus. Ein als "strategischer Koordinator" bezeichneter Medienexperte soll helfen, die Sozialdemokraten aus dem Umfragetief herauszuführen.
Nur mit der Kernfrage will sich die SPD nach wie vor Zeit lassen, obwohl sie zum Eindruck der Zerrissenheit beiträgt: Wer Kanzlerkandidat wird - Parteichef Beck oder Außenminister Frank-Walter Steinmeier - soll erst Ende des Jahres entschieden werden.
Quelle: ntv.de