Politik

Steinbrück präsentiert Wahlprogramm SPD rückt nach links

Wird Steinbrück im Herbst 2013 der vierter SPD-Bundeskanzler in der Geschichte der Bundesrepublik?

Wird Steinbrück im Herbst 2013 der vierter SPD-Bundeskanzler in der Geschichte der Bundesrepublik?

(Foto: dpa)

Sechs Monate vor der Bundestagswahl einigt sich die SPD-Spitze auf ein Wahlprogramm. Kanzlerkandidat Steinbrück preist das Papier als Werk von Kandidat und Partei. Entweder ist er nach links gerückt oder die SPD hat ihn nach dem Stolperstart dahin geschoben.

Auszüge aus dem SPD-Wahlprogramm
  • Flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde
  • Der Spitzensteuersatz soll von 42 Prozent (Reichensteuer 45 Prozent) auf 49 Prozent für zu versteuernde Einkommen ab 100.000 Euro steigen. Eine Vermögensteuer soll hohe Vermögen belasten. Das Ehegattensplitting will die SPD durch eine individuelle Besteuerung ersetzen
  • Die Finanztransaktionsteuer soll Finanzmarktakteure an den Kosten der Krise beteiligen. Der Staat soll nicht länger für Verluste bei Spekulationsgeschäften von Banken haften
  • Beim Kindergeld sollen Bezieher von Einkommen unter 30.000 Euro im Jahr einen Aufschlag von 140 Euro pro Kind und Monat erhalten. Das Betreuungsgeld will die SPD wieder abschaffen
  • Für langjährig Versicherte soll es eine steuerfinanzierte Solidarrente von mindestens 850 Euro geben.
  • Für alle Bürger soll es eine einheitliche Bürgerversicherung für Krankheit und Pflege geben. Bislang Privatversicherte können diesen Status behalten
  • Mietsteigerungen sollen stärker begrenzt werden

Es sind drei oder vier Meter, die Vergangenheit und Gegenwart an diesem Montag trennen. Die übermächtige Willy-Brandt-Statue wacht schräg links hinter dem Mann, der die Genossen im Herbst 2013 zurück ins Kanzleramt führen will. Und dieser Peer Steinbrück, der heute eine rote Krawatte trägt, liefert ein für seine Verhältnisse überraschendes Bekenntnis.

"Ich habe kein Problem damit, dass sich die Achse der Gesellschaft nach links verschoben hat", sagt der SPD-Kanzlerkandidat und hebt den Arm wie der Bronze-Brandt hinter ihm. Die Bürger wollten eine schärfere Regulierung der Banken und flächendeckende Mindestlöhne. Er könne gut mit dem Programm leben, sagt der, der früher noch als Gegner von Mindestlöhnen galt. "Das ist ein Programm des Kandidaten und der Partei."

Die SPD will mit deutlichen Korrekturen an der eigenen "Agenda-2010"-Reform in den Bundestagswahlkampf ziehen. Der SPD-Vorstand billigte einstimmig das Programm für die Wahl am 22. September. "Vieles in Wirtschaft und Gesellschaft ist aus dem Lot geraten", sagt Steinbrück. Die SPD fordert nicht nur einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro und eine bessere Bezahlung für Leiharbeiter. Der Spitzensteuersatz soll auf 49 Prozent steigen.

Bundesparteitag am 14. April

Die Steuermehreinnahmen sollen vor allem in die Bildung fließen. Zudem will die Partei "den Finanzkapitalismus bändigen". Aus dem Vorstand verlautete, es habe eine harmonische Debatte gegeben, auch die Parteilinke zeigte sich zufrieden. Neu aufgenommen wurde noch ein Verbot von Nahrungsmittel- und Rohstoffspekulationen.

Das letzte Wort hat ein Bundesparteitag am 14. April in Augsburg. "Diese Bundestagswahl wird auf gesellschaftspolitischen Feldern entschieden", sagt Steinbrück. Die von Union und FDP verfolgte Idee einer Lohnuntergrenze sei kein Mindestlohn. Die SPD war noch während der großen Koalition gegen einen flächendeckenden Mindestlohn.

Die SPD will im Falle eines Wahlsieges eine Solidarrente von 850 Euro für Geringverdiener, die mindestens 30 Beitragsjahre aufweisen. Bei Einkommen von unter 3000 Euro soll das Kindergeld von 184 auf bis zu 324 Euro monatlich steigen. Von der Kita bis zur Uni soll es keine Gebühren geben. Der soziale Wohnungsbau soll mit mehreren Milliarden Euro gefördert werden, um die Mieten zu dämpfen. Bei Neuvermietungen will die SPD nur noch Erhöhungen bis zu zehn Prozent zulassen.

Steinbrück weist die Vorwürfe zurück, es handele sich um ein unfinanzierbares linkes Wohlfühlprogramm. "Unter dem Strich kommen wir zu dem Ergebnis, dass sich das die Waage hält." SPD-Chef Sigmar Gabriel betont, der Spitzensteuersatz von 49 Prozent greife erst ab einem Einkommen von 100.000 Euro, bei Ehepaaren von 200.000 Euro.

"Wem es in der Küche zu heiß ist, ..."

Die Dispozinsen sollen bei Kontoüberziehungen höchstens acht Prozent betragen. Um den Einfluss von Lobbyisten zurückzudrängen, will die Partei außerdem transparenter machen, an welchen Gesetzen externe Fachkräfte wie mitarbeiten.

Steinbrück sagte, der Markt dürfe nicht den Staat dominieren. Steinbrück wie Gabriel bekennen sich zu den rot-grünen Reformen der Agenda 2010, allerdings sei einem Missbrauch von Leih- und Zeitarbeit "Tür und Tor geöffnet worden", sagte Gabriel. Daher müsse es punktuelle Verbesserungen geben. Die Partei will künftig eine gleiche Bezahlung von Leih- und Zeitarbeit. Die Reformen führten zwar zu einer deutlichen Reduzierung der Arbeitslosigkeit, aber auch zu einer Ausweitung der Leiharbeit.

Kanzler Gerhard Schröder hatte die Eckpunkte der "Agenda 2010" am 14. März 2003 im Bundestag vorgestellt. Er will an diesem Dienstag erstmals seit seinem Ausscheiden aus der Politik wieder eine Fraktionssitzung der SPD besuchen. Anlass ist der 10. Jahrestag des Irak-Krieges. Der Altkanzler zog in der "Bild"-Zeitung eine positive Bilanz seiner Sozialreformen. "Man sieht ja jetzt: Deutschland ist besser durch die Krise gekommen als alle anderen europäischen Länder."

Was Steinbrück betrifft, hat Schröder eine klare Meinung. Der SPD-Kanzlerkandidat habe die notwendige Führungskraft für das Regierungsamt. "Es ist ja bekannt, dass ich ihn unterstütze, und das tue ich immer noch", betonte Schröder. Mit Blick auf die Pannen während der ersten Monate von Steinbrücks Kandidatur sagte er: "Jeder Kandidat steht immer in der Kritik. Wem es in der Küche zu heiß ist, der kann nicht Koch werden. Das muss man also aushalten."

Quelle: ntv.de, cro/dpa

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